Berlin (epd). Der Präsident des Bundesamtes für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE), Wolfram König, hat sich gegen verlängerte Laufzeiten von Atomkraftwerken ausgesprochen. „Eine solche Abschätzung müsste nicht nur die Sicherheit der Atomkraftwerke berücksichtigen, sondern auch die Entsorgung der radioaktiven Abfälle“, schreibt König in einem Gastbeitrag für die „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ (FAS). „In beiden Fällen wären die gesamtgesellschaftlichen Kosten für einen Weiterbetrieb der Anlagen erheblich.“ Der mühsam errungene gesellschaftliche Konsens würde auch grundsätzlich infrage gestellt werden, mahnte er.
Angesichts der drohenden Gasknappheit infolge des Ukraine-Krieges wird über eine Verlängerung der AKW-Laufzeiten diskutiert. Die drei verbliebenen deutschen Kraftwerke, Neckarwestheim 2 in Baden-Württemberg, Emsland in Niedersachsen und Isar 2 in Bayern, müssen eigentlich bis Ende 2022 heruntergefahren werden.
König stellte auch den Zeitplan in Frage, dem zufolge bis 2031 ein Standort für das Atom-Endlager der Bundesrepublik gefunden sein soll. „Mein Bundesamt hat gegenüber dem mit der Standortsuche beauftragten Unternehmen immer wieder den Fortschritt im Verfahren angemahnt, damit der gesetzlich festgelegte Zeitplan eingehalten wird. Bis das Endlager betriebsbereit ist, sind weitere 20 Jahre anzusetzen“, schreibt König. „Heute muss ich konstatieren, dass ich das Ziel 2031 für nicht mehr realistisch halte.“
Die Leiterin der Abteilung Nukleare Sicherheit beim BASE, Mareike Rüffer, warnte vor der Entstehung von zusätzlichem Atommüll, sollten die verbleibenden Atomkraftwerke in Deutschland mit neuen Brennstäben weiterbetrieben werden. Käme es zum Einsatz neuer Brennstäbe, erhöhe sich auch die Menge an hochradioaktiven Abfällen, „für die es bis zur Inbetriebnahme eines Endlagers in Deutschland noch auf Jahrzehnte nur Zwischenlager mit zeitbegrenzter Sicherheitsgarantie gibt“, sagte sie den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Samstag).
Die verbliebenen Reaktoren leisteten „mit einem Stromanteil von sechs Prozent letztendlich nur einen kleinen Gesamtbeitrag an der Stromversorgung in Deutschland“, so Rüffer. Sie verwies auch auf offene Fragen bei der Sicherheit der Atomkraftwerke. Die sogenannten Periodischen Sicherheitsprüfungen, zu denen das Atomgesetz die Betreiber alle zehn Jahre verpflichte, seien eigentlich 2019 wieder fällig gewesen, mit Blick auf den geplanten Ausstieg Ende dieses Jahres jedoch ausgesetzt worden. Bei einem Weiterbetrieb müssten diese Sicherheitsüberprüfungen nachgeholt werden. „Es geht um den maximalen Schutz von Mensch und Umwelt vor den Gefahren radioaktiver Strahlung.“
Es sei eine gesellschaftspolitische Entscheidung, ob die kurzfristige Versorgungssicherheit höher bewertet werde als der langfristige und weitreichende Schutz von Mensch und Umwelt vor den Gefahren der Radioaktivität, sagte Rüffer. Die Politik müsse abwägen, „welches Risiko wir über welche Zeiträume als Gesellschaft bezüglich der Gefahren der Atomenergie tragen wollen“.