Brüssel (epd). Die EU-Staaten bereiten sich mit einem Notfallplan auf einen Gas-Lieferstopp aus Russland vor. Der Verbrauch soll EU-weit um 15 Prozent sinken, außerdem soll ein „Unionsalarm“ die Reduzierung des Verbrauchs erzwingen können. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sprach beim Treffen der Energie-Minister am Dienstag in Brüssel von einer Situation, in der die EU so noch nie gewesen sei. „Die Zeit, in der Energie immer verfügbar, immer günstig war, ist vorbei“, sagte er. „Wir wissen, dass die Gaslieferungen jederzeit stoppen können“, betonte auch EU-Energie-Kommissarin Kadri Simson. Der erreichte Kompromiss sieht aber Ausnahmen für einzelne Länder vor.
Vergangene Woche hatte die EU-Kommission ihren Entwurf für einen Notfallplan vorgestellt. Dieser war auf Widerstand bei Staaten gestoßen, die im Gegensatz zu Deutschland weitgehend unabhängig vom russischen Gas sind. Die Einigung sei nicht leicht gewesen, erklärte der tschechische Industrie- und Handelsminister Jozef Sikela, dessen Land derzeit den Ratsvorsitz innehat, in Brüssel. „Aber am Ende hat jeder verstanden, dass dieses Opfer notwendig ist“, ergänzte er.
Im aktuellen Kompromiss werden nun mehreren Staaten Ausnahmen eingeräumt, so etwa Insel-Nationen - wie Irland, Zypern oder Malta - und auch solche mit fehlendem Anschluss an das Verbundnetz, wie Spanien und Portugal. Beide Länder hatten zuvor gegen den Vorschlag der Kommission protestiert. Spaniens Ministerin für Energie und Umwelt, Teresa Ribera, hatte etwa gesagt: „Im Gegensatz zu anderen Ländern haben wir Spanier in Sachen Energieverbrauch nicht über unsere Verhältnisse gelebt“.
In Bezug auf den „Unionsalarm“, mit dem die Kommission die Reduzierung des Verbrauchs erzwingen wollte, sieht der Kompromiss vor, dass die EU-Länder diesen nur auf Antrag von mindestens fünf Mitgliedstaaten ausrufen können und nicht die Kommission selbst. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zeigte sich dennoch zufrieden. „Heute hat die EU einen entscheidenden Schritt unternommen, um der Gefahr einer vollständigen Unterbrechung der Gasversorgung durch Putin zu begegnen“, sagte sie am Rande des Treffens.
Aus dem EU-Parlament kommen kritische Stimmen. Europaweit befinde sich der Gasfüllstand derzeit bei knapp 63 Prozent, erklärte etwa Markus Ferber, CSU-Europaabgeordneter und wirtschaftspolitischer Sprecher der EVP-Fraktion. „Wenn Staaten wie Polen oder Portugal mit Füllständen von fast 100 Prozent ausgestattet sind, darf Solidarität nicht nur ein Lippenbekenntnis sein, vor allem gegenüber Staaten wie Deutschland, deren Gasspeicher noch bis zu einem Drittel befüllt werden müssen“, so Ferber.
Auch der Sprecher der deutschen Grünen im EU-Parlament, Rasmus Andresen, kritisierte: „Unsere Befürchtung ist, dass der Gas-Notfallplan uns nicht ausreichend auf den Notfall vorbereitet.“ Es brauche weitere Maßnahmen wie gemeinsame europäische Einkäufe von Gas und einen Preisdeckel für Verbraucher.