Genf, Kiew (epd). Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch hat Russland und der Ukraine die bewusste Gefährdung von Zivilisten vorgeworfen. Beide Länder hätten Streitkräfte in bewohnten Gebieten stationiert, ohne die Bewohner in sicherere Gebiete zu bringen, erklärte Human Rights Watch am Donnerstag in Kiew.
Das humanitäre Völkerrecht verpflichte jedoch die Konfliktparteien, alle möglichen Vorkehrungen zu treffen, um die Bevölkerung und zivile Einrichtungen unter ihrer Kontrolle vor Angriffen zu schützen. In vier von Human Rights Watch untersuchten Fällen hätten russische Streitkräfte Militärstützpunkte in bewohnten Gebieten errichtet und damit unnötigerweise die Zivilbevölkerung gefährdet.
In drei Fällen hätten ukrainische Streitkräfte Stützpunkte in Häusern aufgebaut, in denen Menschen lebten. Die Soldaten der Ukraine hätten aber keine offensichtlichen Maßnahmen eingeleitet, um die Bewohner in sicherere Gebiete zu überführen. Bei anschließenden Angriffen auf diese Stützpunkte seien Zivilisten getötet und verwundet worden.
„Während der Krieg in der Ukraine weiter tobt, werden Zivilisten unnötigerweise in die Kämpfe verwickelt“, sagte Belkis Wille, leitende Krisen- und Konfliktforscherin bei Human Rights Watch. „Sowohl die russischen als auch die ukrainischen Streitkräfte müssen es vermeiden, ihre Truppen inmitten von Zivilisten zu stationieren, und alles in ihrer Macht Stehende tun, um Zivilisten aus der Nähe zu entfernen.“
Die Armee des russischen Präsidenten Wladimir Putin hatte am 24. Februar die Ukraine überfallen. Nach Angaben der UN wurden seitdem Zehntausende Zivilisten verletzt und getötet. Millionen Menschen sind auf der Flucht. UN-Ermittler machen das russische Militär für umfangreiche Kriegsverbrechen verantwortlich. Ukrainische Soldaten hätten auch Kriegsverbrechen verübt, allerdings in einem wesentlich geringeren Ausmaß als russische Streitkräfte.