Nicaragua: Zivilgesellschaft von Regierung außer Gefecht gesetzt

Nicaragua: Zivilgesellschaft von Regierung außer Gefecht gesetzt

Frankfurt a.M., Washington (epd). Nicaraguas Regierung hat mit ihrem Vorgehen gegen nichtstaatliche Organisationen laut Menschenrechtlern die Zivilgesellschaft außer Gefecht gesetzt. Die Behörden hätten Hunderte Initiativen geschlossen und damit das Recht auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit stark eingeschränkt, kritisierte Human Rights Watch am Dienstag in Washington. Doch die Zivilgesellschaft spiele eine zentrale Rolle in dem mittelamerikanischen Land, das keine unabhängigen staatlichen Institutionen mehr habe.

Laut Human Rights Watch hat die nicaraguanische Regierung seit Anfang Juni die Betriebserlaubnis von mehr als 770 Organisationen und Stiftungen aufgehoben und sie damit zur Schließung gezwungen. Dies treffe von medizinischen Verbänden über Initiativen für den Schutz von Kindern und Frauen bis hin zu Umweltgruppen. Viele dieser Entscheidungen basieren der Menschenrechtsorganisation zufolge auf missbräuchlichen Rechtsvorschriften wie dem Gesetz gegen „ausländische Agenten“ oder überzogene Anforderungen zur Verlängerung einer Lizenz wie detaillierte Finanzinformationen und Transparenzklauseln.

„Die nicaraguanischen Behörden sind derart besessen davon, den Raum für gesellschaftliche Gruppen auszumerzen, dass sie sogar Initiativen verfolgen, die wesentliche Hilfe für arme Gemeinschaften leisten, die schwer von zwei Wirbelstürmen und der Pandemie getroffen wurden“, kritisierte die Amerika-Direktorin von Human Rights Watch, Tamara Taraciuk Broner. Die Erzwungene Schließung von Organisationen gehörte zur Strategie von Präsident Daniel Ortega, die Zivilgesellschaft als Ganzes zum Schweigen zu bringen. Dazu bediene sich die Regierung einer Mischung aus Repressionen wie neuen Gesetzen, Einschüchterungsversuchen, Drangsalierungen, willkürliche Festnahmen und die Verfolgung von Menschenrechtsaktivisitinnen und -aktivisten und Medienschaffenden.

Andere Regierungen, vor allem aus Lateinamerika, sollten das systematische Zerschlagen zivilgesellschaftlicher Gruppen verurteilen, forderte Human Rights Watch. Nicaraguas Bevölkerung gehöre zu den ärmsten des Kontinents und werde durch die Maßnahmen der Regierung in ihrer Existenz getroffen. Der einstige Revolutionär Ortega regiert Nicaragua seit 2007. Im November vergangenen Jahres wurde er zum vierten Mal wiedergewählt, nachdem er zuvor mehr als 40 Oppositionelle hatte verhaften lassen.