Euskirchen, Bad Neuenahr (epd). In Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz haben Vertreter aus Politik, Kirchen und Hilfsorganisationen gemeinsam mit Betroffenen der Opfer der Flutkatastrophe vor einem Jahr gedacht. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier würdigte am Donnerstag das Engagement und Durchhaltevermögen der Menschen in den Flutgebieten. NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) hob nach einem Gedenkgottesdienst in Euskirchen den großen Einsatz der Helfer hervor. Im rheinland-pfälzischen Bad Neuenahr-Ahrweiler sicherte Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) den betroffenen Regionen weitere Aufbauhilfen zu.
Bundespräsident Steinmeier rief zu unbürokratischer Hilfe für die Flutgebiete auf. Er könne sich vorstellen, dass viele Menschen „das Gefühl haben, dass vieles zu lange dauert, zu langsam vorangeht“, sagte Steinmeier nach einem ökumenischen Gottesdienst in Euskirchen. Es sei jedoch sichtbar, was die Menschen trotz des unermesslichen Schmerzes und der Verzweiflung angesichts der vielen Verluste geleistet hätten, „und davor habe ich enormen Respekt“.
Ministerpräsident Wüst kündigte an, das Land werde einen Gedenkort mit einem Baum für jeden der 49 Toten in NRW errichten. Die Katastrophe im vergangenen Sommer sei „ein Einschnitt in der Geschichte unseres Landes“, sagte er in Euskirchen nach dem Gottesdienst, an dem auch die Vize-Ministerpräsidentin Mona Neubaur (Grüne) und NRW-Landtagspräsident André Kuper (CDU) teilnahmen. Wüst würdigte auch die große Solidarität und Hilfsbereitschaft von Menschen aus ganz Deutschland.
Der rheinische Präses Thorsten Latzel betonte in dem ökumenischen Gottesdienst, dass neben unbürokratischen Aufbauhilfen auch die persönliche Anteilnahme wichtig bleibe. „Wir brauchen die Ruhe, um innezuhalten und umzukehren, um wirklich anders zu leben. Wir brauchen eine Gemeinschaft, in der wir einander beistehen“, sagte Latzel vor Angehörigen und Helfern.
In Bad Neuenahr erinnerte Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) an die 135 Fluttoten aus Rheinland-Pfalz und die zwei bis heute vermissten Menschen. Sie versicherte den Betroffenen im Ahrtal, dass die Region wieder aufgebaut werde. Inzwischen gebe es bereits wieder zahlreiche „Lichtblicke“. Der Aufbauwille der Talbewohner zeige auch deren außerordentliche Heimatliebe, erklärte die Regierungschefin bei der Gedenkfeier, zu der auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) angereist war.
Steinmeier hatte zuvor das stark betroffene Ahrtal besucht. Bei seinem letzten Aufenthalt habe er versprochen, die Betroffenen nicht zu vergessen, sagte Steinmeier: „Auch deshalb bin ich heute hier, dieses Versprechen einzuhalten, zu sehen, was ist vorangekommen, wo fehlt es noch, und Danke zu sagen.“
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) hatten zuvor an einer weiteren Gedenkstunde in Euskirchen teilgenommen. Naturkatastrophen werde man auch in Zukunft nicht verhindern können, erklärte Faeser. „Aber besser vorbereitet können wir sein, und darum geht es dieser Tage.“ Das sei grade angesichts der veränderten Klimabedingungen wichtig.
Bei der Hochwasserkatastrophe am 14. und 15. Juli 2021 wurden mehr als 180 Menschen getötet, 800 weitere teils schwer verletzt und ganze Orte verwüstet. Vor allem im Ahrtal richtete die Flut massive Schäden an. In Nordrhein-Westfalen sind unter anderem die Orte Hagen, Erftstadt und Euskirchen besonders betroffen. Viele Kirchen läuteten am Donnerstagabend in den Flutgebieten die Glocken.