Frankfurt a.M. (epd). Der Kirchenrechtler Hans Michael Heinig hat vor einseitigen kirchlichen Stellungnahmen zum Ukraine-Konflikt gewarnt, die keine Zwischentöne zulassen. „Eine kirchliche Friedensethik tut gut daran, die realen Machtverhältnisse zur Kenntnis zu nehmen“, heißt es in einem Gastbeitrag des Göttinger Jura-Professors in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Montag). Frieden sei mehr als „Friedhofsruhe, aber auch mehr als die unerbittliche Logik militärischer Abschreckung“.
Kirchliche Friedensethik rechne „mit den Abgründen des Menschen und verliert zugleich nicht die Hoffnung, seine Verstrickung im Bösen immer wieder von Neuem zu überwinden“, betonte Heinig. Insofern ergänzten sich kirchliche Militärseelsorge sowie Friedens- und Versöhnungsarbeit.
Wer die Anwendung militärischer Gewalt unter Verweis auf das friedensethische Leitbild eines „gerechten Friedens“ strikt ablehne, „bleibt eine vernünftige Alternative schuldig“, gab Heinig zu bedenken: „Das Potential zivilen Ungehorsams erscheint im Angesicht der Schreckensbilder aus der Ukraine unzureichend.“
Eine kirchliche Friedensethik, die den gerechten Frieden postuliert, aber „zum ungerechten Frieden, der in Massenmord, Folter, Vergewaltigung und kultureller Auslöschung eines Volkes mündet, nichts Substantielles mehr zu sagen weiß, muss sich die Frage gefallen lassen, wie sie es mit dem ansonsten postulierten 'Vorrang' für die Schwächsten und Verletzlichsten hält“, so Heinig: „Scheint hinter dem antimilitaristischen Dogma doch nur religiös camouflierter Zynismus durch?“
Eine kirchliche Friedensethik müsse angesichts der Vielfalt von Frömmigkeitsstilen und politischen Überzeugungen in der Kirche in gewissem Maße pluralismusfähig sein. Das setzt Heinig zufolge die Fähigkeit voraus, zwischen „letzten Fragen des christlichen Glaubens und politischen Schicksalsfragen des Gemeinwesens unterscheiden zu können“.
Auch kirchenhistorisch bedeutende protestantische Bekenntnistexte wie das Augsburger Bekenntnis von 1530 oder die Barmer Theologische Erklärung von 1934 würden keine einfachen Antworten geben. Als überlieferte Glaubenszeugnisse könnten sie „aber auch heute noch Orientierung geben“.
Bereits die Reformatoren des 16. Jahrhunderts hätten gewusst, „aus welch krummem Holz der Mensch geschnitzt ist“. Die evangelische Kirche müsse sich daher in diesem Sinne in Sachen Friedensethik immer wieder neu ans Werk machen, so der Professor für Öffentliches Recht an der Universität Göttingen.