Bückeburg (epd). Der evangelische Landesbischof Karl-Hinrich Manzke sieht die evangelische Friedensethik durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine vor neue Herausforderungen gestellt. Das von der protestantischen Theologie formulierte Leitbild des „gerechten Friedens“ mit dem Vorrang der Gewaltlosigkeit sei zwar nicht obsolet, sagte Manzke am Wochenende vor der Landessynode der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Schaumburg-Lippe im niedersächsischen Bückeburg. Aber es werde „unterlaufen durch den Einfall des Bösen und die schändliche Übergriffigkeit, die wir vonseiten Russlands in diesen Monaten erleben“.
Das Vertrauen in die internationale Sicherheitsarchitektur und in die Achtung des Völkerrechts sei eine respektable Grundhaltung. „Sie hält aber dem Einfall des Bösen, wie wir es seit dem 24. Februar erneut erleben, nicht stand“, betonte Manzke laut Redemanuskript: „Wenn das Rechtsverhältnis einseitig gekündigt wird, macht das skeptisch gegenüber einer zu engen Bindung der Friedensethik an das Völkerrecht und das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit der internationalen Organisationen und Absprachen.“
Manzke leitet die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Schaumburg-Lippe, zu der rund 48.000 Mitglieder im nördlichen Landkreis Schaumburg gehören. Er ist Beauftragter des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) für die Seelsorge in der Bundespolizei und Catholica-Beauftragter der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD).
Der Theologe zeigte Verständnis für eine Äußerung von Papst Franziskus, dass der Russischen Föderation die Möglichkeit diplomatischer Verhandlungen zur Beendigung des Krieges durch eine zu scharfe Rhetorik des Westens nicht völlig verbaut werden dürfe. Franziskus hatte im Juni erklärt, es müsse ernst genommen werden, dass sich Russland durch die schnelle Osterweiterung der Nato zumindest unter Druck gesetzt fühle. Der Papst war dafür viel kritisiert worden. Manzke erklärte jedoch, er halte diese Stimme für bedenkenswert.
Scharfe Kritik übte er dagegen an der Haltung des russisch-orthodoxen Patriarchen Kyrill I., der den russischen Angriffskrieg gerechtfertigt hatte. „In dieser Position vermischen sich völkisches und religiöses Denken in einer Weise, von der wir gehofft haben, dass sie eigentlich überwunden ist“, sagte Manzke. Das Eintreten des christlichen Glaubens für Frieden und Respekt werde dadurch unterlaufen. Nun könne niemand sagen, dass es ein einiges Zeugnis der Christenheit für den Frieden und gegen den Einsatz von Gewalt gebe. „Das ist mehr als deprimierend und lässt einen ratlos zurück.“