Karlsruhe (epd). Eine neu angebrachte Wärmedämmung an Bestandsbauten darf über die Grenze zum Nachbargrundstück hineinragen. Die einzelnen Bundesländer können entsprechende landesgesetzliche Regelungen vorsehen, bekräftigte der Bundesgerichtshof (BGH) seine bisherige Rechtsprechung. (AZ: V ZR 23/21) Die Karlsruher Richter äußerten jedoch Zweifel, ob die Berliner Regelungen verfassungsgemäß sind, auch wenn die Bedenken nicht für eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht ausreichen.
Im konkreten Fall ging es um einen Nachbarstreit in Berlin. Ein Eigentümer wollte an seinem 1906 erbauten Haus eine 16 Zentimeter starke Wärmedämmung anbringen. Diese würde dann auch in diesem Umfang auf das benachbarte Grundstück hineinragen. Der betroffene Nachbar hielt die Berliner Regelungen, die solch eine grenzüberschreitende Wärmedämmung erlauben, für verfassungswidrig und klagte.
Der BGH wies ihn ab. Das Land Berlin habe dies so regeln dürfen. Das gesetzliche Ziel der Energieeinsparungen bei Bestandsbauten sei geeignet und erforderlich. Ähnlich hatte das Gericht im November 2021 in einem nordrhein-westfälischen Fall entschieden (Az.: V ZR 115/20). Im aktuellen Fall gab es aber Zweifel, ob die Berliner Vorschriften verfassungsgemäß sind. Für eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht reiche es dennoch nicht aus, da das Gericht von der Verfassungswidrigkeit überzeugt sein müsse, erklärte der BGH.
Während andere Bundesländer die Duldung einer grenzüberschreitenden Wärmedämmung von Voraussetzungen abhängig mache, wie eine nur geringfügige Beeinträchtigung des Nachbarn, gebe es dies in Berlin aus Vereinfachungsgründen bewusst nicht. Dies könne dazu führen, gab der BGH zu bedenken, dass eine grenzüberschreitende Dämmung selbst dann erlaubt ist, wenn diese beim Nachbarn dazu führt, dass keine Mülltonnen oder Fahrräder mehr abgestellt werden können.
Allerdings würden die Interessen des Nachbarn in gewissem Umfang berücksichtigt. So stehe ihm bei einer grenzüberschreitenden Dämmung eine Entschädigung zu. In der Gesamtschau seien die Vorschriften „noch als verhältnismäßig anzusehen“.