Berlin (epd). Die Verbraucherorganisation Foodwatch fordert die Einführung einer EU-weiten Steuer auf Pestizide, um deren umweltschädlichen Einsatz einzudämmen. Die Nutzung von Schädlingsbekämpfungs- und Unkrautvernichtungsmitteln habe trotz wirtschaftlicher und ökologischer Kosten in den vergangenen Jahren zugenommen, beklagte die Organisation am Donnerstag in Berlin. Fatale Folgen für die Artenvielfalt, den Klimaschutz und die Bodenqualität müssten mit einer umfassenden Strategie zur Reduzierung der Menge an chemischen Schädlingsbekämpfungsmitteln abgemildert werden.
„Die EU-Landwirtschaft hängt am Tropf der Pestizid-Industrie“, beklagte der Strategiedirektor von Foodwatch International, Matthias Wolfschmidt, bei der Vorstellung eines Berichts der Organisation über Schädlingsbekämpfungsmittel. Landwirte seien im heutigen Agrarsystem wirtschaftlich abhängig von Pestiziden, um immer höhere Erträge zu erzielen. Eine EU-Landwirtschaft ohne chemische Schädlingsbekämpfungsmittel bis 2035 ist laut Foodwatch möglich und realistisch, wenn die nötigen politischen Entscheidungen getroffen werden.
Der Einsatz von Pestiziden müsste demnach durch eine Steuer deutlich teurer werden als alternative Methoden. Ein Verzicht sollte aus Sicht der Verbraucherschutzorganisation dagegen belohnt werden, hieß es bei der Vorstellung des Foodwatch-Berichts „Locked-in Pesticides“.
Darüber hinaus forderte Foodwatch eine Reform der Zulassungspraxis für Pestizide und eine Umverteilung der EU-Agrarsubventionen. Der Einsatz von Schädlingsbekämpfungsmitteln müsse auf seine Notwendigkeit hin überprüft werden. Pestizide dürften nur als letztes Mittel in Notfällen eingesetzt werden.
Landwirte müssen laut Foodwatch in die Lage versetzt werden, nicht immer höhere Erträge zu immer niedrigeren Preisen erzielen zu müssen. Derzeit sei eine Produktion ohne Pestizide für sie wirtschaftlich kaum möglich. Deshalb müsse etwa die Auszahlung von EU-Agrarsubventionen daran geknüpft werden, dass Betriebe auf Pestizide verzichten.
Der unabhängige Pestizid-Experte Lars Neumeister verwies bei der Vorstellung des Berichts auf Überproduktion, die zur Vergeudung von Lebensmitteln beitrage. In Südtirol versprühten Landwirte durchschnittlich 40 Mal jährlich Pestizide, um eine hohe Apfelproduktion zu erzielen. Für hohe Folgekosten, etwa durch die Verunreinigung von Grundwasser, kämen die Verbraucher auf. Diese seien nicht verantwortlich für das auf flächendeckenden Einsatz von Schädlingsbekämpfungsmitteln ausgerichtete System, sondern vielmehr dessen Opfer, sagte Wolfschmidt.
Die EU-Kommission habe in ihrer im Mai 2020 vorgestellten „Farm-to-Fork“-Strategie zwar erstmals Ziele für die Pestizid-Reduktion formuliert, die daraufhin vorgeschlagenen Maßnahmen seien jedoch nicht geeignet, die EU-Landwirte aus der „Pestizidfalle“ zu befreien, kritisierte Foodwatch. Lediglich Zielvorgaben zu machen, reiche nicht aus. Das gesamte EU-Agrarsystem sei heute abhängig von Pestiziden, Mineraldünger und fossiler Energie. Das damit verbundene Ziel, möglichst viel und billig Fleisch und Milchprodukte zu erzeugen, sei nicht nachhaltig.