Bremerhaven (epd). Trotz weltweit gültiger Mindeststandards leiden Seeleute nach wie vor unter schwierigen Arbeitsbedingungen an Bord von Handelsschiffen. Wenig Kontakt, wenig Bewegung, wenig Ruhe und wenig Schlaf - das sei für viele Seeleute der Alltag, sagte der Generalsekretär der Deutschen Seemannsmission, Matthias Ristau, am Samstag bei einer Konferenz am internationalen „Tag der Seefahrer“ in Bremerhaven. Bei dem Treffen erörterten Vertreter unter anderem aus Gewerkschaften, Politik und Kirche Möglichkeiten zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen.
Rund 90 Prozent aller Güter würden über die Meere transportiert, verdeutlichte Ristau die Bedeutung der internationalen Seeschifffahrt. Besonders belastend sind dabei nach den Erfahrungen des Seelsorgers Isolation und lange Arbeitszeiten. „Europäische Seeleute sind vier Monate an Bord und dann zwei Monate zu Hause - philippinische Seeleute sind im Durchschnitt neun Monate unterwegs.“ Allerdings kämen noch deutlich längere Zeiten vor. „Oft ist einfach nicht kalkulierbar, wann die Leute wieder zu Hause sind.“ Dazu kämen Wochenarbeitszeiten von bis zu 90 Stunden und mehr. Das führe zu Ermüdung und Unfällen.
„Erschöpfung tötet Seeleute“, warnte Gewerkschaftssekretär Sven Hemme, der als Koordinator der Internationalen Transportarbeiter-Föderation (ITF) in Bremerhaven arbeitet. An Land würden die meisten Arbeitnehmer angesichts solcher Bedingungen wohl aussteigen. Viele Crewmitglieder allerdings hätten eine immense Angst, gegen schlechte Arbeitsbedingungen zu protestieren, weil sie Restriktionen durch den Arbeitgeber befürchteten. Dazu komme, dass den Seeleuten immer noch oft der für Psyche und körperliche Gesundheit wichtige Landgang verwehrt werde, um Corona-Infektionen an Bord zu verhindern.
Viele Reeder hielten sich an die Regeln, doch nicht auf allen Schiffen würden international geltende Arbeitsbedingungen und die Menschenrechte geachtet, hieß es. So seien mit dem Ausflaggen von Schiffen Missstände verbunden. Diese Praxis erlaube es Schiffseignern unter Flaggen von Ländern zu fahren, in denen etwa geringere Sozialstandards oder niedrigere Mindestlöhne gelten.