Berlin, Bogotá (epd). Etwa 38 Millionen Kolumbianer waren am Sonntag zur Wahl eines neuen Präsidenten des von Konflikten geplagten Landes aufgerufen. Laut Umfragen liefern sich der linke Kandidat Gustavo Petro und der Bauunternehmer Rodolfo Hernández bei der Stichwahl ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Wenn Petro gewinnt, würde Kolumbien erstmals von einem linksgerichteten Politiker regiert werden.
Petro, ehemaliger Guerillakämpfer und früherer Bürgermeister der Hauptstadt Bogotá, hatte die erste Wahlrunde mit rund 40 Prozent der Stimmen mit Abstand gewonnen. Der unabhängige Kandidat Hernández landete mit 28 Prozent überraschend auf Platz zwei. Der Kandidat der traditionellen Rechten, Federico Gutiérrez, kam abgeschlagen mit rund 24 Prozent auf den dritten Platz. Er hat seine Wähler aufgerufen, am Sonntag für Hernández zu stimmen.
Der 62-jährige Petro kämpft zum dritten Mal um die Präsidentschaft. 2018 verlor er gegen den amtierenden konservativen Staatschef Iván Duque, der laut Verfassung nicht noch einmal antreten darf. Petro will den Einfluss des Staates auf die Wirtschaft stärken und Gewinne aus dem Rohstoffabbau gerechter verteilen. Sein Wahlprogramm wendet sich gegen die traditionelle Elite des Landes. Seine Gegner werfen ihm vor, Kolumbien in eine sozialistische Diktatur verwandeln zu wollen. Petro war in den 1970er-Jahren in der Guerilla M-19 aktiv und eineinhalb Jahre in Haft.
Der 77-jährige Hernández ist ein millionenschwerer Bauunternehmer und früherer Bürgermeister der Stadt Bucaramanga im Zentrum des Landes. Seinen Wahlkampf führte er vorwiegend über die sozialen Medien. Er verspricht, die Korruption zu bekämpfen. Weitere konkrete Wahlziele sind allerdings nicht bekannt. Dafür fiel er im Wahlkampf mit frauenfeindlichen und sexistischen Sprüchen auf.
Die Wahlen fanden in einem politisch zerrissenen Land statt. Kriminelle Banden, paramilitärische Gruppierungen und Rebellen kämpfen in vielen Gebieten um Einkommen und die Vorherrschaft im Drogenhandel. Laut Friedensforschungsinstitut Indepaz gab es in diesem Jahr bereits 44 Massaker mit 158 Opfern (Stand: 25. Mai). Während der Corona-Pandemie hat auch die Armut in dem sozial tief gespaltenen Land zugenommen.