Berlin (epd). Der Druck auf die Bundesregierung wächst, noch vor dem Herbst geeignete Maßnahmen gegen eine drohende neue Welle in der Corona-Pandemie auf den Weg zu bringen. Die Vorsitzende des Ärzteverbands „Marburger Bund“, Susanne Johna, forderte schnellere Beschlüsse für Schutzmaßnahmen für den Herbst. „Es wäre verantwortungslos, wenn wir Ende September in eine Regelungslücke schlitterten“, sagte sie der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Online). Die derzeitige Regelung besteht noch bis zum 23. September.
Während die kommunalen Spitzenverbände etwa ein Fortführen der kostenlosen Bürgertests über Ende Juni hinaus forderten, will die Bundesregierung die Stellungnahme ihres Sachverständigenrates Ende Juni abwarten. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) sagte der „Rheinischen Post“ (Samstag), die Bundesregierung entscheide über mögliche Maßnahmen gegen die neue Corona-Welle, wenn der Ausschuss von unabhängigen Sachverständigen am 30. Juni seine Stellungnahme mit der Evaluation der bisherigen Maßnahmen vorlegt. Schulschließungen und Lockdowns werde es, jedenfalls mit dem Wissen von heute, in diesem Winter nicht geben, bekräftigte er. Einer erneuten Maskenpflicht für den Sommer angesichts der schon jetzt steigenden Zahl der Corona-Neuinfektionen steht der FDP-Minister skeptisch gegenüber.
Der Vorsitzende des Sachverständigenrates, Stefan Huster, warnte vor zu hohen Erwartungen an den Abschlussbericht der Kommission. „Wer eine Liste mit einem Plus oder einem Minus hinter allen einzelnen Maßnahmen für 'wirksam' oder 'nicht wirksam' erwartet, der wird enttäuscht sein“, sagte er dem „Spiegel“.
Der Sachverständigenrat werde keine Empfehlungen abgeben, welche Corona-Maßnahmen die Politik im kommenden Herbst ergreifen solle. Dennoch rief er die Politik dazu auf, bereits jetzt und nicht erst im Herbst tätig zu werden. Zudem plädierte er für eine grundlegende Reform des Infektionsschutzgesetzes. „Unser Vorschlag im juristischen Teil wird sein, dass wir eine grundlegende Reform des Infektionsschutzgesetzes benötigen, die Zeit brauchen wird“, sagte er.
Auch der Vorstandsvorsitzende des Weltärztebundes, Frank-Ulrich Montgomery, forderte ein neues Infektionsschutzgesetz. „Wir benötigen einen ausreichend großen Instrumentenkasten. Man sollte aber alles tun, um ihn nicht voll ausschöpfen zu müssen“, sagte er der „Passauer Neuen Presse“ (Samstag).
Der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie, Siegfried Russwurm, sagte den Zeitungen der „Funke Mediengruppe“ (Sonntag)‚ es sei kein Konzept, bis Oktober abzuwarten, um dann erst den einen Lösungsweg auszuprobieren und dann den nächsten und so die ohnehin schon angespannte wirtschaftliche Lage weiter zu verschärfen.
Die kommunalen Spitzenverbände forderten ein Fortbestehen der kostenlosen Corona-Tests in den Sommermonaten. Die Bürgertests seien ein erstes Frühwarnsystem, die Finanzierung über den 30. Juni hinaus sollte daher dringend durch den Bund weiter sichergestellt werden, sagte der Präsident des Deutschen Landkreistages, Reinhard Sager (CDU), dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ (RND, Sonntag). Auch der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, sagte dem RND, nur so könnten sich die Menschen in eigener Verantwortung und vor größeren Zusammenkünften testen lassen. Das sei „die Chance, die Pandemie nicht ungebremst geschehen zu lassen“.