Tunis (epd). Mit einem Generalstreik haben die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes am Donnerstag weite Teile der Versorgung in Tunesien lahmgelegt. Die Flughäfen des Landes blieben ab Mitternacht geschlossen, der öffentliche Nah- und Fernverkehr war ausgesetzt. Auch Postämter, Finanzverwaltungen, Schulen und andere öffentliche Betriebe bleiben weitestgehend zu. An rund drei Millionen Beschäftigte von 159 öffentlichen Einrichtungen des Zwölf-Millionen-Einwohnerstaats richtete sich der Aufruf laut dem Gewerkschaftsbund UGTT.
Vor der Zentrale des Gewerkschaftsbundes in Tunis versammelten sich am Vormittag Streikende zur Demonstration. Generalsekretär Noureddine Tabboubi gab an, dass landesweit mehr als 95 Prozent der Beschäftigten dem Streikaufruf gefolgt seien. Sie fordern unter anderem in Hinblick auf die starke Inflation eine Lohnerhöhung rückwirkend ab 2021, die Reform öffentlicher Unternehmen, sowie die Umsetzung bereits beschlossener Vereinbarungen durch die Regierung.
Die Gewerkschaft betonte, dass es sich bei dem Streik nicht um eine politische Aktion handele. Allerdings bezog sich Generalsekrektär Tabboubi in seiner Rede mehrmals auf die aktuelle politische Krise und sprach sich für Demokratie und eine unabhängige Justiz aus. Die Richter des Landes streiken seit vergangener Woche, nachdem Präsident Kais Saïed per Dekret 57 Richterinnen und Richter entlassen hatte.
Damit wächst der Druck auf den Präsidenten, der im Sommer 2021 den Notstand ausgerufen hatte, das Parlament aufgelöst und große Teile der Macht an sich gerissen hat. Zuletzt lehnte der mächtige Gewerkschaftsbund, der den Reformprozess zunächst begrüßt hatte, die Teilnahme an Verhandlungen über eine neue Verfassung ab. Über den neuen Text sollen die Tunesierinnen und Tunesier am 25. Juli in einem Referendum abstimmen.