Berlin (epd). Die wieder deutlich steigenden Corona-Zahlen lassen Rufe zum besseren Schutz von besonders gefährdeten Menschen und zu Vorbereitungen für den Herbst laut werden. „Die angekündigte Sommerwelle ist leider Realität geworden“, sagte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) der „Rheinischen Post“ (Mittwoch). „Das bedeutet auch für die nächsten Wochen wenig Entspannung.“
Das Warnsignal, das von dieser Sommerwelle ausgehe, müsse ernstgenommen werden, betonte der Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen in den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Donnerstag). Er dringt auf eine rasche Beratung der Regierungskoalition über Corona-Infektionsschutzregeln für den Herbst: „Wenn wir unvorbereitet in den Herbst gehen ohne ein breit angelegtes Programm für Auffrischungsimpfungen und ohne eine Rechtsgrundlage, die wirkungsvolle Maßnahmen wie Maskenpflicht in Innenräumen möglich macht, dann müssen wir befürchten, dass es insbesondere in den hochbetagten Altersgruppen nochmals viele Todesfälle zu beklagen geben könnte.“ Die aktuellen Regelungen im Infektionsschutzgesetz sind befristet auf den 23. September.
Lauterbach sieht ein Verpuffen des Sommereffekts in der Pandemie, weil die aktuelle Virusvariante sehr leicht übertragbar sei und fast alle Vorsichtsmaßnahmen ausgelaufen seien. „Älteren und Vorerkrankten empfehle ich daher dringend, sich noch mal impfen zu lassen“, sagte der Gesundheitsminister. „Das verhindert nicht unbedingt eine Infektion, aber es verhindert schwere Krankheitsverläufe.“ Die Sieben-Tage-Inzidenz stieg zuletzt wieder sprunghaft an: Am Donnerstag gab das Robert Koch-Institut die Zahl der Corona-Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen einer Woche mit 480 an.
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz forderte angesichts der Entwicklungen eine Verlängerung der Bürgertests und ein „tägliches Testregime in der Altenpflege“. Vorstand Eugen Brysch rief die Politik zum jetzigen Handeln auf, um pflegebedürftige und schwerstkranke Menschen zu schützen.
Diakonie-Präsident Ulrich Lilie nannte den Anstieg der Infektionszahlen „einen dringenden Weckruf“. Es müsse jetzt eine Gesamtstrategie für den Herbst entwickelt werden. Dazu müsse die Bundesregierung das Infektionsschutzgesetz verlängern und schärfen, damit es nicht erneut zu vielen Arbeitsausfällen und vermeidbaren schweren Erkrankungen und Todesfällen komme. Notwendig sei ferner eine Impfkampagne, die Menschen mit Vorbehalten erreiche. „Wer jetzt den Sommer vertrödelt, riskiert, in einem furchtbaren Herbst aufzuwachen.“
Der Dortmunder Immunologe Carsten Watzl appellierte an die Bevölkerung, vulnerable Gruppen durch verantwortungsvolles Verhalten zu schützen. „Große Veranstaltungen draußen mit vielen jungen Leuten wie Festivals zum Beispiel sind erstmal unproblematisch“, sagte der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie. Schwierig werde es, wenn diese alle am nächsten Wochenende ihre Großeltern besuchen würden, ohne sich vorher zu testen. „Da appelliere ich an die Eigenverantwortung der Menschen.“