Berlin (epd). Für den Ausbau der Windkraft sollen die Bundesländer in den kommenden zehn Jahren deutlich mehr Flächen bereitstellen müssen. Das Bundeskabinett brachte am Mittwoch in Berlin einen Gesetzentwurf auf den Weg, wonach in Deutschland im Jahr 2026 insgesamt 1,4 Prozent der Bundesfläche für die Windkraft ausgewiesen sein werden und Ende 2032 das Zwei-Prozent-Ziel erreicht ist. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) schätzte, dass die Zahl der Windräder dann bis 2030 zwischen dem heutigen Stand von 30.000 und dem doppelten oder dreifachen Wert liegen wird. Er äußerte ferner die Hoffnung, dass das Gesetz bis zur parlamentarischen Sommerpause verabschiedet ist. Der hohe Zeitdruck sei der Dringlichkeit der Lage geschuldet.
Laut Entwurf müssen Bundesländer, in denen der Wind stärker weht, einen Anteil von 2,2 Prozent erreichen und andere nur 1,8 Prozent. Zu den Ländern, die 2,2 Prozent erreichen müssen, gehören Brandenburg, Hessen und Niedersachsen. Stadtstaaten müssten 0,5 Prozent ihrer Fläche bereitstellen. Für Ende 2026 sieht das Regelwerk ein Zwischenziel von 1,4 Prozent der Bundesfläche vor.
Aktuell fehlt es dafür noch vielerorts an verfügbarem Platz. Laut Habeck sind lediglich rund 0,8 Prozent der Landfläche bundesweit für die Windenergie ausgewiesen, tatsächlich verfügbar seien sogar nur 0,5 Prozent. Das liegt unter anderem daran, dass manche Länder besonders strenge Sonderregeln haben. So gilt in Bayern die sogenannte 10H-Regel: Beim Bau neuer Windräder muss ein Mindestabstand vom zehnfachen der Anlagenhöhe zur nächsten Wohnbebauung eingehalten werden. In Thüringen wurde wiederum Windenergie im Wald komplett untersagt.
Habeck sagte, es nehme aber die Erkenntnis zu, dass es durchaus ein Vorteil sei, erneuerbare Energien zu haben. Förster und Waldbauern zum Beispiel, die Windräder im Wald bisher abgelehnt hätten, sähen das anders, wo der Wald durch die Trockenheit und ihre Folgen zerstört sei, wo etwa ganze Hänge entwaldet seien. Inzwischen befürworteten dieselben Förster und Waldbauern Windkraftanlagen auf solchen Flächen, um mit den Erträgen den Wald wieder aufzuforsten. Habeck wies zudem darauf hin, dass das neue Regelwerk es Bundesländern erlaubt, untereinander per Staatsvertrag Flächen für Windkraft abzutreten.
Laut Bauministerin Klara Geywitz (SPD) werden auch landesgesetzliche Mindestabstände zu Windrädern weiterhin möglich blieben. Trotzdem müssten aber zu den jeweiligen Stichtagen die Flächenziele erreicht werden. Geschieht das nicht, wird es laut Geywitz eine „Rechtsfolge“ geben: Dann würden die Abstandsregeln der Länder nicht mehr angewandt.
Im April hatte das Kabinett bereits ein Gesetzespaket zum Ausbau erneuerbarer Energien auf den Weg gebracht. Die Neuregelungen werden derzeit noch von Bundestag und Bundesrat beraten. Demnach soll ab 2035 Strom in Deutschland fast vollständig durch erneuerbare Energien erzeugt wird und somit nahezu treibhausgasneutral ist. Unter anderem wird rechtlich verankert, dass die erneuerbaren Energien „im überragenden öffentlichen Interesse“ liegen. Damit bekommen sie bei der sogenannten Güterabwägung einen höheren Stellenwert. So können Flächen für Windkraft gewonnen werden, die zwar schon ausgewiesen, aber durch andere „Schutzgüter“ gesperrt sind. Als Schutzgüter gelten etwa Tiere, Pflanzen, Wasser, Baudenkmäler und die menschliche Gesundheit.
Das Kabinett brachte am Mittwoch ebenfalls eine Reform des Bundesnaturschutzgesetzes auf den Weg, das die Artenschutzprüfung für Windkraftanlagen durch bundeseinheitliche Standards vereinfachen soll. Dabei soll auch eine Liste von „kollisionsgefährdeten Brutvogelarten“ festgelegt werden. Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) betonte, gefährdete Arten würden zudem durch ein neues Artenhilfsprogramm geschützt werden.