Kinderschutzbund: Missbrauch nicht nur im Internet bekämpfen

Kinderschutzbund: Missbrauch nicht nur im Internet bekämpfen
Die Missbrauchsfälle von Wermelskirchen erschüttern durch ihre Brutalität und das geringe Alter des jüngsten Opfers. Prävention muss laut Kinderschutzbund nicht nur online erfolgen, sondern auch Eltern und Bildungseinrichtungen miteinbeziehen.

Berlin (epd). Vor dem Hintergrund der jüngsten Missbrauchsfälle von Wermelskirchen in Nordrhein-Westfalen hat der Deutsche Kinderschutzbund zu verstärkten Bemühungen um Prävention aufgerufen. Bei Verdachtsfällen sexualisierter Gewalt im Internet sei eine Speicherung der Daten für vier Wochen erforderlich, sagte Joachim Türk vom Vorstand der Organisation am Freitag in Berlin.

Sobald Anbieter von Portalen auf Bilder oder Videos stoßen, die einschlägig strafrechtlich relevant sein könnten, müssten sie dazu verpflichtet werden, die Daten zu speichern. Türk sprach sich für eine anlassbezogene Speicherung von Daten mit dem Verfahren Quick Freeze aus. Damit können Daten vorübergehend gesichert werden. Eine Vorratsdatenspeicherung lehnte Türk dagegen ab. Es gehe darum, wenig Daten für einen möglichst kurzen Zeitraum zu sichern.

Kinder müssten zudem vor sogenanntem Cyber-Grooming geschützt werden, durch das Minderjährige über das Internet manipuliert werden, so Türk. Bei Internet-Spielen sei eine Überprüfung des Alters der Teilnehmer sowie Fortbildungen der Moderatoren nötig, damit sie mögliche Cyber-Groomer erkennen.

Die jüngst bekannt gewordenen Missbrauchsfälle von Wermelskirchen seien nur die „Spitze eines Eisbergs“, sagte der Präsident des Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers. Dort soll ein Mann mindestens zwölf Kinder sexuell missbraucht und kinderpornografisches Material angefertigt haben.

Sechs der missbrauchten Kinder waren nach Angaben des Kölner Oberstaatsanwalts Ulrich Bremer unter drei Jahre alt. Das jüngste Opfer war den Angaben zufolge noch ein Säugling. Der Verdächtige tauschte demnach mit zahlreichen Männern Fotos und Videos. Der Mann, dem 18 Taten vorgeworfen werden, soll die Vorwürfe laut Staatsanwalt „im Kern“ gestanden haben. Er befindet sich seit seiner Verhaftung im Dezember in Untersuchungshaft.

Die jüngsten Fälle erschütterten die Gesellschaft zurecht, sagte der Präsident des Kinderschutzbunds. Beide Täter hätten sich als Babysitter angeboten. Vor diesem Hintergrund appellierte Hilger an Eltern, Babysitter, die sich etwa über das Internet anbieten, um ein polizeiliches Führungszeugnis zu bitten. Ein solches Vorgehen schrecke Täter ab. Es zeige, dass Familien „achtgeben und aufmerksam sind“.

In Deutschland würden täglich 49 Kinder Opfer sexualisierter Gewalt, erklärte der Kinderschutzbund unter Hinweis auf die polizeiliche Kriminalstatistik. Hilger vermutet nach eigenem Bekunden, dass die hohe Zahl nicht für einen Anstieg der Fälle, sondern für mehr aufgedeckte Taten spricht. Vor dem Hintergrund einer vermuteten hohen Dunkelziffer forderte er die Erforschung aktueller Fälle.

Die ehemalige Vorsitzende der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs, Sabine Andresen, beklagte in diesem Zusammenhang, dass vielfach noch immer vor Fremden als Tätern gewarnt werde. „Auch der nette Babysitter, der freundliche Nachbar oder die zugewandte Tante können Täter sein“, sagte Andresen. In den meisten Fällen stammten die Täter aus dem nahen Umfeld der Opfer. Sie forderte, Eltern und Bildungseinrichtungen stärker in Präventionsbemühungen einzubeziehen.