Verbände fordern kostenlose Schuldnerberatungen für alle

Verbände fordern kostenlose Schuldnerberatungen für alle
Immer mehr Menschen sind in den vergangenen zwei Jahren in finanzielle Bedrängnis geraten. Beratungsstellen fordern deshalb mehr Investitionen in die Vorsorge.

Berlin (epd). Wohlfahrtsverbände und Verbraucherzentralen fordern eine kostenlose Schuldnerberatung für alle Menschen. Die öffentliche Hand würde dadurch entlastet, sagte Maria Loheide, Vorständin Sozialpolitik der Diakonie Deutschland, am Donnerstag in Berlin. So könnten enorme soziale Folgekosten vermieden werden, betonte sie bei der Vorstellung einer aktuellen Umfrage unter Schuldnerberatungsstellen. Bislang steht den Angaben zufolge eine kostenlose Schuldnerberatung nur Menschen offen, die Sozialleistungen beziehen.

Durch die Corona-Krise und rasch steigende Lebenshaltungskosten seien immer mehr Menschen in finanzielle Not geraten. „Pandemie und Inflation sind bei uns deutlich zu spüren“, sagte Annabel Oelmann, Vorständin der Verbraucherzentrale Bremen. Es kämen immer mehr Menschen, die ihre Miete und Stromkosten nicht mehr zahlen können.

Laut Umfrage hatte mehr als die Hälfte der Beratungsstellen im Frühjahr 2022 zwischen zehn und 30 Prozent mehr Anfragen als im Sommer 2021. 32 Prozent der Beratungsstellen gaben im ersten Quartal dieses Jahres eine erhöhte Nachfrage nach Beratung zu Miet- und Energieschulden an (Sommer 2021: 28,5 Prozent). Einen erhöhten Informations- und Aufklärungsbedarf von Selbstständigen gab es in 36 Prozent, von Personen in Kurzarbeit in 29 Prozent, von Erwerbstätigen in 32 Prozent der Beratungsstellen.

Loheide betonte, Kommunen sollten deshalb verpflichtet werden, Schuldnerberatung kostenlos vorzuhalten. Dieser Rechtsanspruch müsse im Gesetz verankert werden. Die Finanzierung müsse durch Bund, Länder und Kommunen gemeinsam gestemmt werden.

Die Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände geht davon aus, dass im Durchschnitt für 50.000 Einwohner mindestens ein bis zwei Berater oder Beraterinnen benötigt werden. Im vergangenen Jahr seien rund 600.000 überschuldete Menschen in den rund 1.400 gemeinnützigen Beratungsstellen begleitet worden. Träger sind Verbraucherzentralen, Kommunen oder Mitgliedseinrichtungen von Verbänden wie Diakonie, Caritas, Paritätischer und AWO.

Insgesamt werde in Deutschland von mehr als sechs Millionen überschuldeten Menschen ausgegangen, so Roman Schlag von der Arbeitsgemeinschaft. Pro Klient werde mit acht bis zehn Beratungen gerechnet, sagte Eva Maria Welskop-Deffaa, Präsidentin des Deutschen Caritasverbandes. Sie sprach sich zudem für eine „begleitende Nachsorge“ aus.

Vom Ausschluss der kostenlosen Beratungen seien vor allem Menschen betroffen, die besonders anfällig seien, weil sie meist kein finanzielles Polster haben, wie etwa Geringverdiener, Rentnerinnen, Solo-Selbstständige und Studierende, hieß es weiter. Insgesamt beteiligten sich an der Umfrage den Angaben zufolge 462 Beratungsstellen.

Welskop-Deffaa sprach sich weiter für einen Ausbau der digitalen Beratungen aus, die insbesondere von jüngeren Menschen genutzt würden. Dazu müsse zusätzliches Geld zur Verfügung gestellt werden. Zudem kritisierte sie monatelange Wartezeiten für einen Beratungstermin. Wichtig sei, Schuldnerberatung als niederschwelliges Angebot anzubieten. Davon würde die gesamte Gesellschaft profitieren.