Berlin (epd). Der Historiker Michael Wolffsohn sieht einen weltweit wachsenden Antisemitismus und eine existenzielle Bedrohung des israelischen Staates. Er beobachte „eine zunehmende physische Gefährdung von Juden in der Diaspora, bis hin zu den USA“, sagte Wolffsohn der „Berliner Zeitung“ (Donnerstag).
In Westeuropa gehe die Gefahr vor allem von muslimischen Fanatikern aus, gefolgt von rechtsextremistischen Fanatikern und Linksextremisten. Oft gingen Linksextremisten eine Allianz mit muslimischen Fanatikern ein, in Frankreich nenne man das „Islamo-Gauchisme“, sagte der 75-Jährige, der bis 2012 an der Universität der Bundeswehr in München unterrichtete.
Wolffsohn betonte, langfristig werde es zu einem „Ende der Diaspora“ und „zu einer Konzentration jüdischen Seins in Israel kommen“: „Was aber passiert, wenn fast das gesamte jüdische Kollektiv in Israel lebt, dieses Land aber in seiner Existenz gefährdet ist? Das bedeutet, dass das Ende des jüdischen Volkes absehbar ist“, sagte der Historiker der Zeitung mit Blick auf die atomare Bedrohung durch den Iran und die „demografische Unterlegenheit“ Israels.
Weiter verwies der Historiker auf die hohe Zahl jüdischer Auswanderer aus Frankreich nach Israel wegen einer Unfähigkeit des Staates, die Juden zu schützen. Diese Entwicklung werde sich in Deutschland und Großbritannien fortsetzen.
Er selbst sei „bis vor kurzem ein überzeugter Diaspora-Jude“ gewesen und ziehe diese Existenz vor, „weil mir die jüdische Orthodoxie in Israel zu mächtig geworden ist“. „Das ist nicht mein Judentum. Ich toleriere sie, aber sie tolerieren die nicht-synagogalen Juden nicht“, so Wolffsohn.