Berlin (epd). Inmitten einer angespannten Sicherheitslage warten Tausende Afghanen auf einen Termin zur Beantragung eines deutschen Visums zum Familiennachzug. Bei den zuständigen Visastellen an den deutschen Botschaften im pakistanischen Islamabad und im indischen Neu-Delhi sind derzeit knapp 5.000 Personen registriert, wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken-Bundestagsabgeordneten Clara Bünger hervorgeht, die dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegt. Dabei betrage die Wartezeit mehr als ein Jahr. Vor allem für allein reisende Frauen sei es schwierig, überhaupt aus Afghanistan auszureisen.
Seit der Schließung der Visastelle in der afghanischen Hauptstadt Kabul im Jahr 2017 können Visa zur Familienzusammenführung an den Botschaften in Neu-Delhi und Islamabad beantragt werden. In Islamabad sind nach Angaben der Bundesregierung 3.455 und in Neu-Delhi etwa 1.500 Afghaninnen und Afghanen für einen Termin registriert.
Um das Verfahren zu erleichtern, seien die Visastellen angewiesen worden, „Ermessensspielräume umfänglich zu nutzen“, heißt es in der Antwort der Bundesregierung. Zum Beispiel sei das zeitaufwändige Verfahren zur Überprüfung von Urkunden ausgesetzt worden. Auch habe das Auswärtige Amt damit begonnen, einen Teil der Anträge zur Bearbeitung nach Deutschland zu geben. Dafür sollten unter anderem neue Stellen im Bundesamt für Auswärtige Angelegenheiten geschaffen werden.
Eine Hürde ist laut Bundesregierung ferner die Ausreise aus Afghanistan und damit die Wahrnehmung des Termins zur Visabeantragung. So ließen die Taliban nach wie vor keine Menschen ohne Reisepass ausreisen. Auch einige Nachbarstaaten hätten die Einreise für Afghanen seit der Machtübernahme der radikal-islamischen Taliban beschränkt. Die Taliban haben die Rechte für Frauen seit ihrer Machtergreifung im vergangenen August stark eingeschränkt und gehen auch zunehmend gegen Menschenrechtler, Medienschaffende und ehemalige Mitarbeiter der westlichen Armeen vor.
Bünger, die Sprecherin für Fluchtpolitik ihrer Fraktion ist, begrüßte zwar die Ansätze zur Beschleunigung des Familiennachzugs. „Doch das alles kommt viel zu spät und zu langsam“, erklärte sie. Die langen Wartezeiten seien „in jeder Beziehung unzumutbar, insbesondere für Frauen, deren Situation sich seit der Machtübernahme der Taliban nochmal extrem verschlechtert hat“. Denn die Betroffenen hätten in aller Regel ein Recht auf den Familiennachzug.