Münster (epd). Dass die Corona-Pandemie im alltäglichen Leben eine immer geringere Rolle spielt, ist nach Einschätzung des Seuchenhistorikers Malte Thießen nicht ungewöhnlich. Menschen würden sich an Pandemien gewöhnen, das sei eine historische Erkenntnis, sagte der Medizinhistoriker am Mittwoch in Münster. „Man macht seinen Frieden mit ihr und lernt, mit den Toten zu leben.“ Das spiegele sich auch in der Corona-Pandemie wider: Bis vor kurzem seien immer noch „hohe Infektionszahlen und schrecklich hohe Todeszahlen“ zu beklagen gewesen. Im Gegensatz zum Anfang der Pandemie habe dies nur noch eine geringe Rolle gespielt.
Die Gewöhnung an eine Pandemie sei nachvollziehbar und menschlich, zugleich sei sie aber auch ein Problem, erklärte der Medizinhistoriker, der auch Leiter des Instituts für westfälische Regionalgeschichte des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe (LWL). „Corona sollte für uns eine Lehre sein: Seuchen sind eben nicht von gestern.“ Sie seien vielmehr der Normalzustand und würden immer wieder kommen. „Wir sollten daher aufmerksam bleiben“, mahnte Thießen. Dank Impfungen und Antibiotika lebten die Menschen hierzulande seit den 70er Jahren im Zeitalter der Immunität.
Die Vorstellung, dass man das Coronavirus ausrotten könne, sei „erst einmal unrealistisch“, sagte Thießen. Corona sei ein sehr flexibles Virus, das mit einer hohen Mutationsgeschwindigkeit immer wieder zurückkomme. Weil immer mehr Menschen geimpft seien und eine Infektion überstanden hätten, erhöhe sich jedoch bei vielen die Grundimmunität. Diese biete selbst gegen die meisten Mutationen eine gewisse Grundlage. Corona werde also erst einmal immer wieder zurückkommen, allerdings sehr wahrscheinlich weniger bedrohlich. „Wir werden also nicht im ewigen Panikmodus verharren müssen, sollten aber wachsam bleiben“, so der Medizinhistoriker.