Brandenburg an der Havel (epd). Der NS-Prozess gegen einen früheren Wachmann des Konzentrationslagers Sachsenhausen ist am Dienstag in Brandenburg an der Havel fortgesetzt worden. Für den 32. Prozesstag waren nach Angaben des Vorsitzenden Richters Udo Lechtermann der Abschluss der Beweisaufnahme und das Plädoyer der Staatsanwaltschaft geplant. Mit einem Urteil im Verfahren gegen den 101-jährigen Angeklagten wird für den 2. Juni gerechnet. (AZ: 11 Ks 4/21)
Ein Freispruch sei nach der Beweisaufnahme nicht erwartbar, sagte Verteidiger Stefan Waterkamp. Unter normalen Umständen sei eine Haft von drei Jahren das „bestmögliche Ergebnis“. Ein niedrigeres Strafmaß käme demnach in Betracht, wenn die mindestens seit den 70er Jahren vorhandenen Erkenntnisse der Stasi über die NS-Vergangenheit seines Mandanten als rechtsstaatswidrige Verzögerung des Verfahrens gewertet würden.
Die Staatsanwaltschaft wirft Josef S. Beihilfe zum grausamen und heimtückischen Mord in mehr als 3.500 Fällen vor. Der Angeklagte war den Ermittlungen zufolge in der Zeit zwischen dem 23. Oktober 1941 und dem 18. Februar 1945 SS-Wachmann in Sachsenhausen. Der in Litauen geborene Baltendeutsche bestreitet dies. Zahlreiche Unterlagen sprechen jedoch dafür.
Im KZ Sachsenhausen waren zwischen 1936 und 1945 mehr als 200.000 Menschen inhaftiert. Zehntausende von ihnen wurden ermordet oder kamen auf andere Weise ums Leben.
Der Prozess hatte Anfang Oktober vergangenen Jahres begonnen. Er findet nicht in Neuruppin, sondern in der Nähe des Wohnortes des Angeklagten in Brandenburg an der Havel statt, weil Josef S. laut Gutachter nur wenige Stunden am Tag verhandlungsfähig ist.