München (epd). Der ehemalige Richter am Internationalen Strafgerichtshof, Wolfgang Schomburg, glaubt an einen künftigen Erfolg eines Prozesses wegen Kriegsverbrechen gegen russische Truppen. „Die Lage ist deshalb außergewöhnlich gut, weil zunächst mal überhaupt die Zuständigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs begründet wurde“, sagte der Jurist am Donnerstag dem Bayerischen Rundfunk. Die Ukraine habe sich schon nach der russischen Militärintervention von 2014 der Gerichtsbarkeit durch den Strafgerichtshof unterworfen. Daher bedürfe es für einen solchen Prozess keines Beschlusses des UN-Sicherheitsrates, in dem Russland ein Vetorecht hat.
Mögliche Delikte, die vor dem Strafgerichtshof verhandelt werden könnten, umfassten Kriegsverbrechen der russischen Militärs. „Und es gibt die Verbrechen gegen die Menschlichkeit“, sagte Schomburg. Dazu gehörten vorsätzliche Tötungen und Vergewaltigungen sowie die so genannte Ausrottung, also die massenhafte Tötung eines Teils oder einer ganzen Zivilbevölkerung. Dies sei vom Völkermord auf der Grundlage der Anti-Genozid-Konvention von 1948 abzugrenzen, bei der sich die Tat gegen eine nationale, ethnische oder religiöse Gruppe richten muss.
Dass man einzelne Soldaten vor Gericht bekomme, sei zurzeit unwahrscheinlich, erklärte Schomburg. „Aber dadurch, dass man Namen, Nummern von Einheiten und konkreten Personen kennt, ist es relativ einfach, an einer konkreten Situation anzufangen“, sagte der ehemalige UN-Strafrichter. Auf die Frage, ob es in Zukunft auch ein Verfahren gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin vor dem Internationalen Strafgerichtshof geben wird, sagte Schomburg: „Ich hoffe es. Er wäre nicht der Erste, der als Staatsführer sich wird verantworten müssen.“
Er hoffe auf geheime Haftbefehle, die etwa auf künftigen Auslandsreisen des russischen Präsidenten vollstreckt werden könnten. Dass Putin in Moskau gestellt werde, sei zwar unwahrscheinlich, „aber ich will in dem Augenblick nichts ausschließen. Wir haben auch erfolgreiche Entführungen aus anderen Staaten erlebt“, sagte Schomburg.