Berlin, Wiesbaden (epd). Verbände warnen vor den sozialen Folgen der hohen Kraftstoffpreise. „Der massive Anstieg der Kraftstoffpreise belastet Menschen mit geringen Einkommen besonders stark“, sagte der Vorsitzende von Tafel Deutschland, Jochen Brühl, dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Mittwoch in Berlin. Aufgrund hoher Mieten in den Städten wohnten arme Menschen oft außerhalb des Stadtzentrums, wodurch sie auch einen längeren Fahrweg zum Arbeitsplatz hätten.
Der Vorsitzende des Dachverbands der Tafeln in Deutschland fügte hinzu, dass vor allem Menschen im ländlichen Raum und Erwerbstätige im Schichtdienst auf das Auto angewiesen seien. „Ein Krankenpfleger beispielsweise oder eine Polizistin, die einen langen Arbeitsweg und Schichtdienst haben, können diese Kosten nicht einsparen“, sagte Brühl. Durch steigende Preise drohten erwerbstätige Menschen in Armut zu rutschen, fügte er hinzu. Unter den Tafel-Kunden seien immer mehr Menschen, „die bislang gerade mit ihrem Geld auskamen und sich nun existenzielle Sorgen machen“.
Brühl wies außerdem darauf hin, dass auch die Tafeln durch die hohen Kraftstoffpreise vor einer finanziellen Herausforderung stünden. „Tafeln holen die Lebensmittel mit Kühltransportern bei den Supermärkten ab, jeden Tag“, sagte er. Bei einer mittelgroßen Tafel seien täglich drei bis fünf Fahrzeuge unterwegs.
Der Präsident des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste (bpa), Bernd Meurer, machte auf die finanzielle Belastung für Pflegeheime und ambulante Pflegedienste aufmerksam. „Stationäre Einrichtungen sehen sich rasant steigenden Heiz- und Energiekosten gegenüber, die ambulanten Dienste müssen trotz der Rekordpreise an den Tankstellen jeden Tag auf die Straße, um Menschen zu versorgen“, sagte Meurer. Er forderte die Bundesregierung auf, Pflegeeinrichtungen finanziell zu unterstützen.
Nach Angaben des Statistischen Bundesamts ist der sprunghafte Anstieg der Kraftstoffpreise beispiellos in der bundesdeutschen Geschichte. Wie die Statistiker am Mittwoch in Wiesbaden mitteilten, zahlten Verbraucherinnen und Verbraucher im März an den Tankstellen durchschnittlich 41,9 Prozent mehr für Superbenzin und 62,6 Prozent mehr für Diesel als ein Jahr zuvor. Die Ölkrisen 1974 und 1980 sowie die Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise 2008/2009 hätten weniger starke Auswirkungen gehabt.
Auch für leichtes Heizöl errechneten die Statistiker einen deutlichen Preisanstieg: Verbraucherinnen und Verbraucher mussten im März fast zweieinhalb Mal so viel (144 Prozent) bezahlen wie ein Jahr zuvor. Allerdings gab es in den 70er Jahren noch deutlichere Preissprünge.