Stuttgart (epd). Ein 42-jähriger Kläger, der seit seiner Kindheit an ADHS leidet, hat keinen Anspruch darauf, dass ihm die Krankenkasse eine Cannabis-Therapie finanziert. Der 11. Senat des Landessozialgerichts Baden-Württemberg habe die Berufung des Klägers am 22. März zurückgewiesen, teilte das Gericht am Dienstag in Stuttgart mit (AZ: L 11 KR 3804/21).
Im Alter von 13 Jahren hatte der Kläger die Behandlung mit Ritalin abgesetzt und seitdem Cannabis geraucht. Im Mai 2020 beantragte er bei seiner Krankenkasse die Kostenübernahme. Der behandelnde Psychiater führte aus, mit Cannabisblüten sollten ADHS sowie eine mittlere Depression behandelt werden. Es liege eine schwerwiegende Erkrankung vor, ohne Cannabis sei die Bewältigung des Alltags nicht möglich. Außerdem werde eine Gesprächstherapie durchgeführt. Durch die Zwangseinnahme von Ritalin habe der Kläger eine Tablettenphobie entwickelt. Für Cannabis habe der Kläger in diesem Jahr bereits 3.000 Euro ausgegeben.
Die beklagte Krankenkasse holte beim damaligen Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) Baden-Württemberg ein Gutachten ein und lehnte den Antrag ab. Es fehle an einer schwerwiegenden Erkrankung. Zudem solle Cannabis nicht zur Behandlung von ADHS eingesetzt werden. Dafür gebe es Psychopharmaka und Psychotherapie.
Das Landessozialgericht folgte der Argumentation der beklagten Krankenkasse. Es liege keine schwerwiegende Erkrankung vor. Der Facharzt habe das Auftreten des Klägers als völlig adäquat, ruhig und reflektiert beschrieben. Zur Behandlung seiner ADHS und Depressionen stünden allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistungen wie Psychopharmaka und Psychotherapie zur Verfügung. Ob tatsächlich eine Tablettenphobie vorliege, sei vom Facharzt nicht überprüft worden. Es sei zudem zu prüfen, ob die psychischen Probleme bei der Tabletteneinnahme mit einer Psychotherapie oder Verhaltenstherapie zu behandeln wären. Der Arzt habe auch nicht geprüft, ob nach über 20 Jahren Cannabiskonsum eine Sucht vorliege.
Die Frage, ob durch Cannabisblüten „eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bestehe“, hat das Gericht nicht untersucht. Auch die Frage, ob die gesundheitlichen Risiken den tatsächlichen Nutzen von Cannabis übertreffen, blieb unberücksichtigt. Darauf, so das Gericht, komme es im vorliegenden Fall nicht mehr an.