Prag (epd). Der tschechische Ökumene-Experte Pavel Cerny hat sich erneut für einen Ausschluss der russisch-orthodoxen Kirche aus dem Weltkirchenrat ausgesprochen. Diese habe über Jahrzehnte hinweg „Einflüsse des KGB“ in den Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK) gebracht, sagte Cerny in Prag dem Evangelischen Pressedienst (epd): „Derzeit zeigt sich, dass Patriarch Kyrill und die engste Führung der Kirche die aktuellen Geschehnisse unterstützen.“
Würde der Weltkirchenrat die russisch-orthodoxe Kirche weiter in den Reihen seiner Mitglieder behalten, drohe ihm ein erheblicher Vertrauensverlust, sagte der international renommierte Theologe. Cerny war Vorsitzender des ökumenischen Rates in Tschechien. Seine bereits kurz nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine veröffentlichte Forderung hatte weltweit zahlreiche zustimmende Reaktionen ausgelöst.
Cerny konkretisierte jetzt seine Vorwürfe: „Mit der Ökumene beschäftige ich mich seit 50 Jahren“, sagte er dem epd. Schon während des Kalten Kriegs habe er manche Papiere des Weltkirchenrats kritisch gesehen: „In ihnen lässt sich ablesen, wie man der russisch-orthodoxen Kirche immer wieder nachgegeben hat. Es gab zum Beispiel einseitige Erklärungen, die stets gegen die amerikanischen Raketen gerichtet waren, aber von den sowjetischen Raketen war nie die Rede.“
Es sei ihm schwergefallen, den offenen Brief zu schreiben, in dem er den Ausschluss der russisch-orthodoxen Kirche fordert. „Ich weiß, dass es dort viele aufrichtige Christen und wunderbare Menschen gibt“, sagte Cerny. Die Kirchenstrukturen allerdings seien über Jahrzehnte stark manipuliert worden. „Mit dem Krieg in der Ukraine zeigt sich das in seiner Nacktheit. Man sieht, dass die Führung der russischen Orthodoxie unter dem Einfluss von Putin steht und sich ihm unterwirft.“
Dieses „Bündnis zwischen Thron und Altar“ habe allerdings nicht erst mit dem Präsidenten Wladimir Putin angefangen, sondern reiche zurück bis zur Oktoberrevolution 1917, fügte Cerny hinzu. Die russische Kirche habe in politischen Fragen stets herumlaviert. Während des Kalten Krieges, als es in westlichen Kirchen starke marxistische Tendenzen gegeben habe, seien die Einflüsse aus der vom russischen Geheimdienst KGB unterwanderten orthodoxen Kirche am Sitz des ÖRK in Genf auf fruchtbaren Boden gefallen.
„Für uns in Tschechien war das ein Skandal, denn wir wussten schließlich, was Marxismus ist“, sagte Cerny. Auch nach der politischen Wende habe er sich immer wieder über manche Positionen aus Genf wundern müssen.
Er erinnere sich beispielsweise an ein Ereignis aus dem Jahr 2006. Damals habe der tschechische Rat eine Delegation ins kommunistische Kuba entsandt, um die verfolgten Kirchen zu unterstützen. In ganz Tschechien sei damals Geld für die Familien von inhaftierten Priestern und weiteren Kirchenvertretern gesammelt worden. Kurz darauf sei eine Vertreterin des Weltkirchenrats in Tschechien gewesen und habe behauptet, es gebe in Kuba überhaupt keine Kirchenverfolgung.
„Wir haben uns scharf gegen diese Position verwahrt, unsere Delegation hat die Verfolgung schließlich mit eigenen Augen gesehen“, sagte Cerny. Der Angriffskrieg auf die Ukraine habe in aller Deutlichkeit gezeigt, dass auch kirchliche Organe mit der Einschätzung Russlands falsch gelegen hätten.
Cerny ist in Tschechien ein einflussreicher Kirchenvertreter. Viele Jahre lang war er Vorsitzender der evangelischen Brüder-Kirche, von 2005 bis 2009 stand er dem Ökumenischen Rat der Kirchen in Tschechien vor. Heute lehrt er am evangelischen theologischen Seminar in Prag.