Mainz (epd). Die rheinland-pfälzische Landesregierung hat das Ausmaß der verheerenden Flutwelle im Ahrtal vom 14. und 15. Juli vergangenen Jahres zunächst drastisch unterschätzt. Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) sagte am Freitagabend im Ahrtal-Untersuchungsausschuss aus, noch am späten Abend des 14. Juli habe es aus ihrer Sicht keinen Hinweis darauf gegeben, dass es zu einer solchen nie dagewesenen Katastrophe kommen würde.
„Wir sind ein Land mit Hochwassern. Ich habe immer wieder erlebt, dass der Katastrophenschutz funktioniert“, sagte Dreyer, deren Befragung am Ende einer mehr als 15-stündigen Marathonsitzung erst kurz vor Mitternacht beendet war. Ähnlich äußerten sich auch Innenminister Roger Lewentz und dessen Staatssekretär Randolf Stich (beide SPD).
Lewentz hatte am frühen Abend das Einsatzzentrum in Bad Neuenahr-Ahrweiler besucht, aber nach eigenen Angaben in der Katastrophennacht erstmals gegen 23 Uhr Hinweise auf die verheerende Situation, als er einen Lagebericht über mehrere eingestürzte Häuser in der Ortschaft Schuld erhielt. Kurz darauf habe er dann Bilder eines Polizeihubschraubers von der Ahr erhalten. „Da war klar, es ist ein starkes Hochwasser eingetreten“, sagte Lewentz. „Aber eine Flutwelle ist nicht erkennbar gewesen.“ Nach Mitternacht habe er dann erfahren, dass Menschen vermisst würden und es eventuell Todesfälle gegeben habe. In der Nacht gab es keinen direkten Kontakt mehr zwischen den Mitgliedern der Landesregierung.
Der für Katastrophenschutz zuständige Abteilungsleiter im Innenministerium, Eric Schaefer, hatte zuvor ausgesagt, der Landkreis Ahrweiler habe anfangs gar nicht im Fokus der Aufmerksamkeit gestanden. Die Landesbehörden hätten sich eher über die Lage in der Vulkaneifel Sorgen gemacht, wo deutlich früher Katastrophenalarm ausgelöst worden war. Die im Ausschuss befragten Vertreter von Innenministerium und Aufsichtsbehörde ADD erklärten, sie hätten unmittelbar während und nach der Starkregenkatastrophe nicht den Eindruck gehabt, die Einsatzleitung des Landkreises Ahrweiler sei mit dem Krisenmanagement überfordert gewesen. Tatsächlich waren schon am frühen Abend zahlreiche Ortschaften am Oberlauf der Ahr überflutet und teilweise von der Außenwelt und der Stromversorgung abgeschnitten worden.