Berlin (epd). Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat in der abschließenden Beratung des Bundestags über eine Corona-Impfpflicht eindringlich an die Union appelliert, dem Kompromiss-Antrag für eine Impfpflicht ab 60 Jahren zuzustimmen. „Heute ist der Tag der Entscheidung“, sagte Lauterbach in seiner Rede, „lassen Sie uns nicht im Stich.“ Damit Deutschland im Herbst besser dastehe als jetzt, müsse sich die Union bekennen, ob sie eine Impfpflicht unterstütze. „Wir brauchen Ihre staatstragende Unterstützung“, sagte Lauterbach.
Lauterbach tritt eigentlich, ebenso wie Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), für eine allgemeine Impfpflicht ab 18 Jahren ein. Dafür hatte die Ampel-Koalition aber wegen der Impfpflicht-Gegnerinnen und -Gegner vor allem bei der FDP keine Mehrheit. Auch die Aufhebung des Fraktionszwangs führte nicht dazu, dass die Befürworter der Ab-18-Impfpflicht genügend Stimmen aus der Opposition gewinnen konnten.
Lauterbach machte deutlich, dass auch eine Impfpflicht ab 60 Jahren ein wichtiger Schritt zu mehr Schutz für die Bevölkerung sei. Sie verhindere 90 Prozent der Todesfälle, die man mit einer Impfpflicht ab 18 verhindern könne, erklärte Lauterbach. Auch wenn die Omikron-Variante weiterhin für milde Verläufe sorge, was man nicht wissen könne, „müssen wir uns die Frage stellen“, so Lauterbach, „ob wir weiterhin 200 bis 300 Todesfälle am Tag in Kauf nehmen wollen“. Eine humane Gesellschaft könne dies nicht wollen, sagte der Gesundheitsminister, der im Bundestag als Abgeordneter für den Kompromiss-Antrag von Ampel-Politikerinnen und Politkern sprach.
Der Antrag, auf den sich zwei Abgeordneten-Gruppen aus den Ampel-Fraktionen Anfang dieser Woche verständigt hatten, sieht eine Impfpflicht für über 60-Jährige ab dem 15. Oktober vor. Alle ungeimpften Erwachsenen über 18 Jahren sollen verpflichtet werden, sich über eine Impfung gegen Covid-19 beraten zu lassen. Im Herbst soll der Bundestag dann anhand der Impfquote und der Corona-Lage entscheiden, ob es bei der Impfpflicht für die Älteren bleibt oder die Verpflichtung auf alle Erwachsenen ausgeweitet werden soll.
Der Bundestag stimmt im Laufe des Vormittags über vier Anträge namentlich ab. Zwei sind gegen eine Impfpflicht, neben dem Kompromiss aus den Ampel-Fraktionen liegt den Abgeordneten ein Antrag der Union für ein Impfvorsorgegesetz vor. Der Ausgang der Abstimmung, für die der Fraktionszwang aufgehoben wurde, ist offen.