Göttingen (epd). Der Krieg in der Ukraine erfordert nach Ansicht von Wissenschaftlern eine strategische Neuausrichtung der Agrar- und Ernährungspolitik in Deutschland und Europa. In einem am Freitag veröffentlichten offenen Brief rufen Wissenschaftler der Universität Göttingen sowie zahlreicher weiterer Forschungsinstitute dazu auf, sofort eine Transformation des Ernährungssystems einzuleiten, um den verheerenden Folgen des russischen Angriffs auf die Ukraine und weiteren Krisen, die sich gegenseitig verstärkten, entgegenzuwirken. Russland und die Ukraine gehören zu den weltweit größten Getreide-Exporteuren.
Konkret empfehlen die Wissenschaftler ein Bündel von kurz- und mittelfristigen Maßnahmen, um den Fleischkonsum, die Lebensmittelabfälle und den Anbau von Energiepflanzen zu reduzieren. Von zentraler Bedeutung sei dabei, dass alle Schritte in Produktion und Konsum rasch ineinandergriffen.
So könnten auf Agrarflächen, die derzeit für die Produktion von Bioethanol oder Futtermittel genutzt würden, verstärkt pflanzliche Lebensmittel für den menschlichen Konsum angebaut werden. Rund zehn Quadratmeter Ackerfläche brächten entweder Getreide für ein Kilogramm Schweinefleisch oder für zehn Kilogramm Brot. Flankierend müssten die produzierenden Betriebe ausreichend bei der Umstellung unterstützt werden, verlangen die Forscher.
Weiter schlagen die Autoren des offenen Briefes eine geringere Mehrwertsteuer auf pflanzliche Produkte sowie eine erhöhte Mehrwertsteuer für Fleischprodukte vor. Darüber hinaus könnten Vorgaben zur Flächenbindung und Umbauprämien für Landwirte, Bildungsprogramme zur Ernährungsumstellung und ein Fonds zur Förderung einer nachhaltigen Ernährung in der Außer-Haus-Verpflegung den Umbau fördern.