Brandenburg an der Havel (epd). Im NS-Prozess vor dem Landgericht Neuruppin gegen einen früheren Wachmann des KZ Sachsenhausen soll am Donnerstag noch einmal der historische Sachverständige Stefan Hördler zu Wort kommen. Bevor die Plädoyers von Staatsanwaltschaft, Nebenklagevertretern und Verteidigung beginnen können, soll so nach Gerichtsangaben die Möglichkeit gegeben werden, noch offene Fragen zu klären. (AZ: 11 Ks 4/21)
Hördler hat bei dem seit Anfang Oktober in Brandenburg an der Havel laufenden Prozess bereits an zahlreichen Verhandlungstagen detailliert zu NS-Verbrechen und Alltag im KZ Sachsenhausen und anderen Konzentrationslagern berichtet. Die Staatsanwaltschaft Neuruppin wirf dem 101-jährigen Angeklagten Josef S. Beihilfe zum grausamen und heimtückischen Mord in mindestens 3.518 Fällen vor.
Den Ermittlungen zufolge war Josef S. in der Zeit zwischen dem 23. Oktober 1941 und dem 18. Februar 1945 SS-Wachmann in Sachsenhausen. Der in Litauen geborene Baltendeutsche, der nach Zweitem Weltkrieg in der DDR lebte, bestreitet das bisher.
An dem Prozess sind auch 16 Nebenkläger beteiligt. Der Vorsitzende Richter Udo Lechtermann hatte in der vergangenen Woche angekündigt, dass zusätzlich zu den bisherigen Anklagepunkten auch eine Verurteilung wegen Beihilfe zum versuchten Mord in den zehn Fällen in Betracht kommen könnte, die die KZ-Überlebenden unter den Nebenklägern betreffen. Außerdem sei eine Verurteilung wegen Beihilfe zum vollendeten Mord an den sechs Häftlingen denkbar, deren Angehörige als Nebenkläger an dem Prozess beteiligt sind. Ein Urteil könnte nach bisheriger Planung am 29. April verkündet werden.