Potsdam (epd). Der Krieg und die Sorge um KZ-Überlebende in der Ukraine werfen nach Aussage von Brandenburgs Gedenkstättendirektor Axel Drecoll einen Schatten auf die Planungen für den 77. Jahrestag der Befreiung. Zu den am 1. Mai geplanten Feierlichkeiten seien bislang auch KZ-Überlebende aus der Ukraine in Oranienburg erwartet worden, sagte Drecoll am Montag in Potsdam bei der Vorstellung des Jahresprogramms der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten. Dass auch sie nun mit allem, was sie erlebt haben, russischen Angriffen ausgesetzt seien und Schutz davor suchen müssten, „das erschüttert uns“.
Auch der 95-jährige Volodymyr Korobov, der als minderjähriger NS-Zwangsarbeiter nach Deutschland verschleppt wurde und von 1943 bis 1945 in Sachsenhausen inhaftiert war, wolle eigentlich an den Gedenkfeiern teilnehmen, sagte Kulturministerin Manja Schüle (SPD). Da er jedoch nicht als Flüchtling kommen, sondern im Anschluss wieder in die Ukraine zurückkehren wolle, sei dies derzeit ungewiss. „Wir freuen uns sehr, dass Herr Korobov lebt“, sagte Schüle. Er verstecke sich derzeit in Kiew, zu seiner Familie bestehe Kontakt.
Der NS-Überlebende stehe „nicht nur für das millionenfache Leid in den Konzentrationslagern“, sondern auch für das Leid, das der Angriffskrieg auf die Ukraine über die Menschen bringe, sagte Schüle. Er gehöre zu der Generation, die noch selbst Zeugnis von den NS-Verbrechen ablegen könne. Ein kürzlich für Korobov gestarteter Spendenaufruf habe inzwischen rund 4.000 Euro erbracht. Er benötige finanzielle Unterstützung, unter anderem für Medikamente.
Drecoll betonte, die Sorge gelte besonders den hochbetagten Überlebenden der Konzentrationslager. Seit Kriegsbeginn werde versucht, wo immer möglich, Kontakt aufzunehmen und zu helfen, auch im Rahmen eines kürzlich gegründeten Hilfsnetzwerks von mehr als 30 Gedenkstätten und Initiativen. Die Solidarität der Gedenkstätten gelte jedoch auch wissenschaftlichen Kollegen in Russland, die Repressionen ausgesetzt seien.
2020 seien rund 20 KZ-Überlebende aus der Ukraine zum 75. Jahrestag in den Gedenkstätten Sachsenhausen und Ravensbrück eingeladen gewesen, die wegen der Pandemie kurzfristig abgesagt werden mussten, hieß es. Aufgrund gestörter Kommunikationswege hätten diesmal bisher jedoch nur wenige ukrainische Überlebende direkt erreicht werden können. Die Gedenkstätte Sachsenhausen habe noch zu insgesamt 38 Überlebenden des Konzentrationslagers aus verschiedenen Ländern Kontakt, sagte Drecoll. Sieben von ihnen hätten ihre Teilnahme an den Gedenkfeiern zugesagt, sodass auch Zeitzeugengespräche angeboten werden könnten.
Zu den großen Projekten für 2022 gehöre die Integration des Gedenkorts Jamlitz am früheren KZ-Außenlager Lieberose in die Stiftung, sagten Drecoll und Schüle. Der Ort solle zu einer modernen Gedenkstätte ausgebaut werden, sagte der Stiftungsdirektor. Das Land stelle dafür insgesamt eine Million Euro zur Verfügung. An anderen Standorten sind unter anderem neue Ausstellungen geplant, darunter in der Gedenkstätte Ravensbrück über 30 der rund 7.000 aus Frankreich in das KZ deportierten Frauen.