Berlin (epd). Die Bundesländer sehen die Novelle des Infektionsschutzgesetzes sehr kritisch, die an diesem Freitag im Bundestag beschlossen werden soll. Der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU), sagte nach dem Treffen der Länderchefs mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Donnerstag in Berlin, „die Kritik war parteiübergreifend und sehr deutlich“. Der Bund habe zugesagt, sie zu beteiligen, das sei aber nicht geschehen, kritisierte Wüst. Scholz wies die Kritik zurück, zeigte sich aber auch bereit, das Gesetz erneut zu ändern, wenn die Lage es erfordere.
Wüst kritisierte das Gesetz der Ampel-Koalition als viel zu kompliziert, um schnell zu reagieren, selbst bei grundlegenden Schutzmaßnahmen wie Masken oder Abstandsregeln. Dass die Maskenpflicht generell wegfallen soll, sehen die Länder besonders kritisch. Die Regelungen seien zudem „rechtlich unsicher und praktisch nicht umsetzbar“, sagte Wüst. Das gelte insbesondere für die Hotspot-Regelungen. Es sei schlicht nicht möglich, von Gebiet zu Gebiet jeweils andere Regeln vom Landtag beschließen zu lassen.
Die gegenwärtigen Corona-Regeln laufen zum 20. März weitgehend aus. Die Bundesländer sollen künftig selbst entscheiden, welche Basisschutzmaßnahmen sie ergreifen wollen und in welchen Gebieten schärfere Regeln nötig sind (Hotspots). Bedingung für schärfere Regeln ist aber, dass hohe Infektionszahlen das Gesundheitswesen zu überlasten drohen. Die Berliner Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) räumte ein, dass man es bei der Bestimmung von Hotspots mit unbestimmten Rechtsbegriffen zu tun habe, was für Schwierigkeiten sorgen könnte. Zugleich hielt sie fest, dass auch ein ganzes Bundesland zu einem Hotspot erklärt werden könne.
Kanzler Scholz wiederum zeigte sich zuversichtlich, dass sich die Regeln bewähren werden. Die Bundesregierung glaube, dass man mit den Regelungen alles tun könne, was notwendig sei, sagte er und bezog das auch auf Vorschriften zur Maskenpflicht. Man sei in einer neuen Phase der Pandemie, in der auf die meisten Schutzmaßnahmen verzichtet werde. Das neue Infektionsschutzgesetz trage dieser Entwicklung Rechnung, erläuterte Scholz. Man sei aber bereit, erneut zu beraten, wenn eine neue Lage dies erfordere.
Zugleich bat er die Menschen in Deutschland, auch nach der Aufhebung vieler Corona-Einschränkungen vorsichtig zu bleiben. „Die Corona-Pandemie ist nicht vorbei“, warnte er und wies auf steigende Infektionszahlen hin. Allerdings sei die Lage in den Krankenhäusern und auf den Intensivstationen nicht so dramatisch wie früher. Er appellierte an die Bevölkerung, trotzdem bestimmte Vorkehrungen zu treffen, zum Beispiel nach Möglichkeit Abstände und Hygieneregeln einzuhalten und freiwillig zum eigenen Schutz Maske zu tragen. Diejenigen, die noch nicht geimpft sind, rief er auf, dies endlich zu tun, das sei das wichtigste. „Der nächste Herbst kommt bestimmt.“
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sprach in München von einem „grundsätzlichen Dissens“ zwischen Bund und Ländern bei der Corona-Gesetzgebung. Er sei „über Stil und Inhalt der neuen Corona-Gesetzgebung“ besorgt und empfinde den bevorstehenden Wegfall der allermeisten Anti-Corona-Maßnahmen als den falschen Weg, sagte Söder in München. Dass die Kritik nicht aus der Luft gegriffen sei, zeige allein, dass „ein linker, ein grüner, ein roter und ein schwarzer“ Landesregierungschef die Pläne des Bundes kritisierten.