Potsdam, Berlin (epd). Der Holocaust-Überlebende Leon Schwarzbaum ist mit 101 Jahren gestorben. Der gebürtige Hamburger, der in Oberschlesien aufwuchs, sei in der Nacht zum Montag in Potsdam verstorben, teilte das Internationale Auschwitz Komitee in Berlin mit. Schwarzbaum überlebte als einziger Angehöriger seiner Familie die NS-Konzentrationslager Auschwitz, Buchenwald und Sachsenhausen sowie zwei Todesmärsche. Von vielen Seiten kamen Trauerbekundungen.
„Seine Stimme gegen das Vergessen wird sehr fehlen“, erklärte der Zentralrat der Juden. Die israelische Botschaft in Berlin erklärte: „Seine Bereitschaft, seine Geschichte des Überlebens im Holocaust zu teilen, war eine Quelle der Inspiration und des Respekts.“ Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) würdigte Schwarzbaum als Mahner wider das Vergessen, als großartigen und offenherzigen Menschen.
Mit dem Tod der NS-Überlebenden gehe die Verantwortung für das Erinnern und Gedenken nun immer stärker auf andere über, betonte Woidke. Dazu gehöre auch das Eintreten gegen jede Form von Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus. Schwarzbaum habe seine Mission, die Wahrheit zu erzählen, bis zuletzt erfüllt, betonte Kulturministerin Manja Schüle (SPD): „Unermüdlich, eindringlich, ungeschönt.“
Das Internationales Auschwitz Komitee erklärte: „Mit großer Trauer, Hochachtung und Dankbarkeit verabschieden sich Überlebende des Holocaust in aller Welt von ihrem Freund, Leidensgenossen und Weggefährten.“ Schwarzbaum sei in den letzten Jahrzehnten seines Lebens zu einem der wichtigsten Zeitzeugen der Schoah geworden, betonte der geschäftsführende Vizepräsident Christoph Heubner.
Die brandenburgische KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen würdigte Schwarzbaum als „liebenswürdigen Menschen und eindringlichen Zeitzeugen“. Er habe erst im hohen Alter öffentlich über seine Verfolgungsgeschichte sprechen können. „Seitdem hatte er es sich zu seiner Lebensaufgabe gemacht, Zeugnis abzulegen von seinem Leidensweg durch mehrere Konzentrationslager“, betonte Stiftungsdirektor Axel Drecoll: „Der Tod von Leon Schwarzbaum erfüllt uns mit tiefer Trauer.“
Zuletzt sollte Schwarzbaum als Zeuge im NS-Prozess gegen einen ebenfalls 101-jährigen früheren SS-Wachmann des KZ Sachsenhausen angehört werden, konnte jedoch nach Gerichtsangaben von vergangener Woche aus gesundheitlichen Gründen nicht befragt werden.
Er sei besonders in seinen letzten Lebensjahren von dem Drang getrieben gewesen, an seine in Auschwitz ermordeten Eltern und all die anderen Opfer des Holocaust zu erinnern, betonte Heubner. Zugleich sei er auch von seinem Zorn darüber getrieben gewesen, dass so wenige SS-Täter vor Gericht gestellt wurden. Seine Zeugenaussage beim Detmolder Auschwitz-Prozess 2016 sei ein bleibendes Dokument der Menschlichkeit und der Erinnerung. Er habe keinen Hass gewollt, sondern Gerechtigkeit.
Schwarzbaum wurde am 20. Februar 1921 geboren und trat später mit der A-Capella-Gruppe „Die Jolly Boys“ auf. 1943 wurde er nach Auschwitz, 1945 nach Buchenwald und Sachsenhausen deportiert. Ab Beginn der 50er Jahre lebte er als Kunst- und Antiquitätenhändler in Berlin.