Juristin: Ohne Impfnachweis "kein Anspruch auf Arbeit und Lohn"

Juristin: Ohne Impfnachweis "kein Anspruch auf Arbeit und Lohn"
14.03.2022
epd
epd-Gespräch: Frank Leth

Köln (epd). Auf Arbeitgeber und Beschäftigte im Gesundheitsbereich werden nach Auffassung der Juristin Nathalie Oberthür mit der einrichtungsbezogenen Impfpflicht viele rechtliche Probleme zukommen. „Ohne Impfnachweis gegen Covid-19 gibt es keinen Anspruch auf Arbeit und Lohn“, sagte Oberthür, Kölner Fachanwältin für Arbeitsrecht und Vorsitzende des Ausschusses Arbeitsrecht im Deutschen Anwalt-Verein dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Mit der einrichtungsbezogenen Impfpflicht in Krankenhäusern und in der Pflege müssen Beschäftigte ihrem Arbeitgeber eine Corona-Impfung oder -Genesung nachweisen. Arbeitgeber müssen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ohne diesen Nachweis dem Gesundheitsamt bis zu diesem Dienstag (15. März) melden, das dann ein Beschäftigungsverbot aussprechen kann. Bei Missachtung drohen dem Arbeitgeber Geldbußen von bis zu 2.500 Euro.

„Mit der einrichtungsbezogenen Impfpflicht will der Gesetzgeber besonders alte und kranke Menschen vor einer Corona-Infektion schützen“, sagte Oberthür. „Lehnt etwa eine Pflegekraft eine Impfung ab, hat sie weder Anspruch auf Lohn noch auf Urlaub“, sagte die Juristin. Sie sei dann für ihre Tätigkeit nicht mehr geeignet und könne möglicherweise sogar personenbedingt gekündigt werden.

Arbeitnehmer hätten zudem die arbeitsvertragliche Nebenpflicht, ihre Arbeitskraft zu erhalten. Ob darunter auch die Impfung fällt, sei offen. Werde dies von Gerichten bejaht, könnten ungeimpfte Beschäftigte möglicherweise nach einer Abmahnung entlassen werden. Es könne auch eine Sperrzeit auf das Arbeitslosengeld I drohen. „Bislang hat die Bundesagentur für Arbeit sich noch nicht positioniert, ob sie eine Kündigung wegen eines fehlenden Impfnachweises mit einer Sperrzeit sanktionieren wird“, sagte Oberthür.

Derzeit seien mehrere Verfassungsbeschwerden gegen die Impfnachweispflicht anhängig. Einen Eilantrag gegen das Gesetz hatte das Bundesverfassungsgericht am 10. Februar abgewiesen und das Gesetz grundsätzlich gebilligt. Allerdings rügte das Gericht formale Fehler, die das Gesetz im Hauptsacheverfahren noch zu Fall bringen könnten. „Wird das Gesetz als verfassungswidrig erklärt, müssten Arbeitgeber für ihre freigestellten ungeimpften Beschäftigten den vorenthaltenen Lohn nachzahlen“, sagte Oberthür. Unklar sei, ob bei einer erfolgten Kündigung die betroffenen Mitarbeiter einen Wiedereinstellungsanspruch haben. Arbeitgeber hätten derzeit keine andere Wahl, als die Entscheidung der Verfassungsrichter abzuwarten und sich rechtstreu zu verhalten.