Berlin, Bogotá (epd). Überschattet von einer angespannten Sicherheitslage wird am Sonntag in Kolumbien ein neuer Kongress gewählt. Die etwa 38 Millionen stimmberechtigten Kolumbianerinnen und Kolumbianer können bei den Wahlen für den Senat und das Abgeordnetenhaus zwischen mehr als 2.000 Bewerbern aller politischen Strömungen auswählen. Die Abstimmungen gelten auch als richtungsweisend für die Präsidentschaftswahl im Mai.
Im bisherigen Kongress, der sich aus dem Abgeordnetenhaus und dem Senat zusammensetzt, dominieren die Kritiker des Friedensvertrages, den der damalige Präsident Juan Manuel Santos 2016 mit der Farc-Guerilla geschlossen hat. Jeweils fünf Sitze in beiden Kammern wurden im Friedensvertrag von Havanna den ehemaligen Farc-Rebellen zugesprochen, die sich in eine politische Partei umgewandelt haben. Zwei weitere Senatoren werden auf nationaler Ebene von den indigenen Gemeinschaften Kolumbiens gewählt.
Insgesamt sind bei den Wahlen 295 Plätze zu vergeben: Der Senat setzt sich aus 108 Mitgliedern zusammen, das Abgeordnetenhaus besteht aus 187 Parlamentariern. Erstmals werden bei den nun anstehenden Wahlen 16 Mandate in speziellen Übergangswahlkreisen in besonders konfliktträchtigen Regionen vergeben. Diese zusätzlichen Mandate wurden ebenfalls im Friedensabkommen vereinbart und sollen den Opfern des Konflikts eine Stimme im Kongress geben.
Die Bevölkerung kann sich am Sonntag auch an den Vorwahlen der drei großen Wahlallianzen für die Präsidentschaftswahl beteiligen, mit denen 15 Kandidaten antreten. Damit wird der Kreis der Favoriten nun auf wenige Kandidaten eingeengt. In allen bisherigen Umfragen führt der linke Präsidentschaftsanwärter Gustavo Petro. Die sozialen Proteste der vergangenen Jahre und die zunehmende Armut durch die Corona-Pandemie haben der Popularität des amtierenden konservativen Präsidenten Iván Duque massiv geschadet.
Kolumbien ist ein politisch zerrissenes Land. Die Sicherheitslage ist vor den Wahlen zusätzlich angespannt. In den ersten Wochen des Jahres wurden laut dem Friedensforschungsinstitut Indepaz bei 20 Massakern bereits mehr als 60 Menschen getötet. Die meisten Toten waren Aktivisten, Anführer in den Gemeinden, Gewerkschafter und Sprecher der Indigenen. Kriminelle Banden, paramilitärische Gruppierungen und Rebellen kämpfen in vielen Gebieten des Landes um Einkommen und die Vorherrschaft im Drogenhandel.