Brandenburg an der Havel (epd). Im Prozess gegen einen früheren SS-Wachmann des KZ Sachsenhausen vor dem Landgericht Neuruppin hat am Freitag der 26. Verhandlungstag begonnen. Erwartet wurden nach Gerichtsangaben Aussagen einer Nebenklägerin und eines Nebenklägers aus Frankreich, die per Video vernommen werden sollten. Außerdem sollte sich ein psychiatrischer Sachverständiger zum Thema Erinnerung und Verdrängung äußern. Der 101-jährige Angeklagte Josef S. bestreitet bislang, SS-Wachmann in Sachsenhausen gewesen zu sein. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Beihilfe zum Mord in mindestens 3.518 Fällen vor. (AZ: 11 Ks 4/21)
Das Gericht hat die Verhandlung nach Brandenburg an der Havel in die Nähe des Wohnortes des Angeklagten verlegt. Josef S. ist laut Gutachter nur zwei bis drei Stunden am Tag verhandlungsfähig. Der Prozess gegen ihn hat Anfang Oktober begonnen. Bislang sind Verhandlungstage bis Ende April geplant. An dem Verfahren sind auch 16 Nebenkläger beteiligt, darunter zehn Überlebende der NS-Verbrechen.
Bei drei weiteren bei der Staatsanwaltschaft Neuruppin laufenden Ermittlungsverfahren gegen früheres KZ-Personal sei der weitere Verlauf noch nicht abzusehen, sagte Oberstaatsanwalt Cyrill Klement dem Evangelischen Pressedienst (epd). Ob Anklage erhoben werde, sei noch offen. Ein Verfahren betrifft das KZ Sachsenhausen, zwei das KZ Ravensbrück. Die drei Beschuldigten leben nicht in Brandenburg.
Im KZ Sachsenhausen waren zwischen 1936 und 1945 mehr als 200.000 Menschen inhaftiert. Zehntausende wurden ermordet oder kamen auf andere Weise ums Leben. Den Ermittlungen zufolge hat Josef S. in der Zeit zwischen dem 23. Oktober 1941 und dem 18. Februar 1945 dort als Wachmann gearbeitet.