Berlin (epd). Im Erzbistum Berlin sind im vergangenen Jahr elf weitere Verdachtsfälle sexuellen Missbrauchs oder sexueller Übergriffe durch Kleriker, Ordensangehörige und andere haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bekannt geworden. Drei Meldungen beträfen aktuelle Sachverhalte, die weiteren Meldungen bezögen sich auf Fälle, die sich vor mehr als zehn Jahren ereignet haben, teilte das Erzbistum am Dienstag auf einer Pressekonferenz in Berlin mit.
In einem der drei aktuellen Fälle werde ein Kleriker beschuldigt. In den Fällen, die zum Teil länger als zehn Jahre zurückliegen, richteten sich sechs Vorwürfe gegen Kleriker, von denen zwei bereits im vor einem Jahr veröffentlichten Missbrauchsgutachten einer Anwaltskanzlei im Auftrag des Erzbistums erwähnt wurden. Alle fünf beschuldigten Kleriker seien bereits verstorben.
Seit dem Jahr 2002 seien damit insgesamt 112 Verdachtsfälle sexuellen Missbrauchs im Bereich des Erzbistums erfasst worden. Die Vorwürfe reichten bis in das Jahr 1947 zurück. In allen neuen Fällen werde derzeit eine kirchenrechtliche Voruntersuchung geführt, hieß es. Zudem seien alle Sachverhalte den staatlichen Ermittlungsbehörden mitgeteilt worden.
Unterdessen hat am Dienstag eine Gutachten-Kommission einen Maßnahmenplan zur weiteren Aufklärung und Aufarbeitung im Erzbistum vorgestellt. Gefordert werden unter anderem weitere Ermittlungen des Erzbistums in fünf Fällen sexuellen Missbrauchs durch personalverantwortliche Kleriker sowie die weitere Erhellung von Dunkelfeldern. Zudem wird die Einrichtung einer unabhängigen Fachstelle für Aufarbeitung im Erzbistum gefordert.
Der Maßnahmeplan sein ein „erster Aufschlag“, sagte Kommissionsmitglied Kristin Wedekind. „Die Zeit drängt, wir wollen handeln“, sagte die Vorständin des Diözesanrates. An die Bistumsleitung appellierte sie, Professionalität sei hierbei oberstes Gebot: „Dieses Thema geht nicht nebenbei.“
Die Vorsitzende des Diözesanrates, Karlies Abmeier, kritisierte, seit der Veröffentlichung des Gutachtens sei mehr als ein Jahr vergangen und viele Maßnahmen könnten bereits umgesetzt sein. Jetzt müssten zeitnah und umfassend konkrete Taten folgen, forderte die Vorsitzende des Laiengremiums.
Erzbischof Heiner Koch sicherte zu, beim weiteren Vorgehen des Erzbistums gehe es nicht um eine Imageverbesserung, es gehe ausschließlich um die Betroffenen. Der seit Ende 2021 vorliegende Maßnahmenplan sei ein Doppelpunkt, kein Punkt, betonte Koch.
Generalvikar Pater Manfred Kollig kündigte an, das Personal im Erzbistum „engmaschiger“ zu beaufsichtigen. Das System Kirche beruhe darauf, erstmal den Menschen zu vertrauen, die für die Kirche arbeiten: „Wir sind aber auch keine anderen Menschen. Deshalb müssen wir müssen deutlicher kontrollieren.“
Das Dilemma zeigt sich an den fünf Fällen, zu denen die Gutachten-Kommission weitere Untersuchungen fordert. Laut einer Prüfung durch externe Kirchenrechtler sei eine Pflichtverletzung im Sinne des Kirchenrechts bei ihnen nicht zu erkennen, sagte Kollig. Sanktionswürdige Vergehen seien nicht gefunden worden.