Essen (epd). Das Verhältnis ihres Gründers und Namensgebers Alfried Krupp (1907-1967) zum Nationalsozialismus will die Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung wissenschaftlich aufarbeiten lassen. Die Stiftung stehe in der Verantwortung, sich „immer wieder neu mit der Persönlichkeit ihres Stifters zu befassen und auseinanderzusetzen“, erklärte die Kuratoriumsvorsitzende Ursula Gather am Donnerstag in Essen. Deshalb finanziere die Stiftung das an der Philipps-Universität Marburg angesiedelte Forschungsprojekt „Alfried Krupp und der Nationalsozialismus“ mit 90.000 Euro.
Das Handeln des Industriellen und Rüstungsunternehmers Krupp in der NS-Zeit sei vor allem durch den Nürnberger Kriegsverbrecher-Prozess und spätere Studien bereits breit dokumentiert, erklärte der Leiter des Historischen Archivs Krupp, Ralf Stremmel. So wurden Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge in Krupp-Fabriken eingesetzt und das Unternehmen war maßgeblich an der Plünderung von Wirtschaftsgütern in besetzten Gebieten beteiligt. Doch über seine persönliche Haltung sei wenig bekannt. Das Krupp Archiv verfüge zwar über sehr umfangreiches Aktenmaterial, doch es gebe leider keine Tagebücher oder Memoiren.
„Wir wissen viel über Krupp als Unternehmer und als Privatmann“, sagte Stiftungsvorstand Volker Troche. Die neue Untersuchung solle nun dazu beitragen, Erkenntnisse über seine politischen Einstellungen und Meinungen zu gewinnen. Möglicherweise fänden sich neue Quellen, neue Dokumente oder neue Aussagen. In dem auf neun Monate angelegten, unabhängigen wissenschaftlichen Projekt soll der Marburger Historiker Eckart Conze in deutschen und internationalen Archiven zunächst relevante Quellen zu Alfried Krupp und seiner Haltung zum Nationalsozialismus ausfindig machen.
Das Bild der Persönlichkeit Krupp und seiner Einstellungen bleibe bisher blass, sagte Conze, Professor für Neuere und Neueste Geschichte und Leiter des Marburger Internationalen Forschungs- und Dokumentationszentrums Kriegsverbrecherprozesse. Er wolle bei seiner Quellenrecherche nicht nur die Jahre 1933 bis 1945 in den Blick nehmen, sondern auch die Jahre davor und danach. So sei Krupp bereits seit 1931 förderndes Mitglied der SS gewesen, daraus könnte sich ein Ansatz ergeben. Auch sein Umgang mit der NS-Vergangenheit in der Zeit der Bundesrepublik soll eine Rolle spielen.
Neben dem Krupp-Archiv will der Historiker mit Unterstützung eines wissenschaftlichen Mitarbeiters auch das Bundesarchiv und Landesarchive, Wirtschafts- sowie internationale Archive etwa in Großbritannien und den USA durchforsten. Die aus der Quellenrecherche gewonnenen Erkenntnisse will die Stiftung anschließend mit Experten diskutieren. Möglicherweise könne eine umfassende wissenschaftliche historisch-biografische Untersuchung folgen.