Hitzacker (epd). Von Bach über Debussy bis Elliott Carter, auf dem Cembalo, Konzertflügel oder dem Spielzeugklavier: In ihrer 77. Ausgabe loten die Sommerlichen Musiktage im wendländischen Hitzacker vom 30. Juli bis zum 7. August die stilistische Bandbreite der Kammermusik vom Barock bis in die Jetztzeit aus. Deutschlands ältestes Festival für klassische Musik in kleiner Besetzung steht in diesem Jahr unter dem Motto „Zeit.Räume“. Es präsentiert unter anderem international renommierte Künstler wie die US-amerikanische Bratschistin Kim Kashkashian, den britischen Tenor Ian Bostridge und den französischen Pianisten Pierre-Laurent Aimard.
Das Festivalmotto kreise um die Frage, welchen Zeitbegriff und welche Räume Kulturveranstaltungen bräuchten, erläuterte Intendant Oliver Wille bei der Programmvorstellung am Mittwoch. Geplant worden sei das Programm 2020 - bereits unter den Vorzeichen der Corona-Pandemie. Zwei Jahre später habe das Motto weiter an Aktualität gewonnen. Corona habe einerseits zu einer Entschleunigung des Lebens und einem fruchtbaren Ausstieg aus Routinen geführt, andererseits aber auch viele Konzertsäle verstummen lassen.
Die bevorstehende Saison des 1946 gegründeten Festivals gleiche einem Neustart, was bestens zum Geist der Sommerlichen Musiktage passe: „Unser Festival ist darin geübt, seit jeher ein Ort des Aufbruchs und der Erfindung zu sein“, betonte Wille, etwa mit Blick auf jährliche Uraufführungen und Debüts von Nachwuchskünstlern.
Ihren Avantgarde-Anspruch wollen die Musiktage in diesem Jahr unter anderem mit der Eröffnungsproduktion „Kokon“ untermauern, die Slam Poetry, zeitgenössischen Tanz, Performance, Schlagzeug- und Streichquartett-Klänge miteinander verbindet. Eine vom Festival beauftrage Arbeit der britischen Komponistin Rebecca Saunders und ihres deutschen Kollegen Enno Poppe will ebenfalls neue Klangräume erschließen. Den Angaben zufolge kommentieren beide Komponisten in dem Werk das Schaffen des jeweils anderen und reichern das Stück zudem mit Zitaten von Mozart, Schumann und Brahms an.
Ein Novum ist auch die inzwischen in der Mitte des Konzertsaales platzierte Festival-Bühne, die dem Publikum nach Angaben von Festival-Intendant Wille „ein besonders intimes Raumgefühl und akustisches Erlebnis“ beschert. Im ersten Pandemiejahr als Notmaßnahme konzipiert, um den Abstandsregeln zu entsprechen, soll die neue Sitzordnung dauerhaft Bestand haben.