Berlin, Karlsruhe (epd). Die Debatte um eine mögliche Ausweitung der Corona-Impfpflicht im Bundestag gewinnt an Fahrt. Am Freitag wurden in Berlin zwei weitere Entwürfe vorgestellt. Abgeordnete der Koalition von SPD, Grünen und FDP präsentierten ihre Gesetzesidee für eine Impfpflicht ab 18 Jahren. Die Union veröffentlichte einen eigenen Fraktionsantrag, der sich gegen eine sofortige Impfpflicht wendet, aber von der Regierung ein Gesetz fordert, mit dem eine Impfpflicht zu einem anderen Zeitpunkt „scharfgeschaltet“ werden könnte, wie es der CDU-Abgeordnete Sepp Müller formulierte. Derweil lehnte das Bundesverfassungsgericht einen Eilantrag gegen die ab Mitte März geltende einrichtungsbezogene Impfpflicht ab. Sie kann wie geplant ab Mitte März gelten.
Bis Ende März, so hatte es die Ampel-Koalition angekündigt, soll der Bundestag in freier Abstimmung über eine mögliche allgemeine Impfpflicht entscheiden. Der bislang weitestgehende Antrag fordert eine Impfpflicht für alle Erwachsenen, die ab 31. Oktober gelten und drei Impfungen umfassen soll. Rechtzeitig vor dem nächsten Winter könnte mit einer Erwachsenen-Impfpflicht eine hohe Grundimmunität aufgebaut werden, um auf eine weitere Corona-Welle vorbereitet zu sein, ohne das öffentliche Leben wieder stark einschränken zu müssen, erklärten die Initiatorinnen und Initiatoren aus den Ampel-Fraktionen, darunter Dirk Wiese (SPD), Janosch Dahmen (Grüne) und Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) bei der Vorstellung des Entwurfs am Freitag. Kontrolliert werden soll die Einhaltung der Pflicht über die Krankenversicherungen.
Der Antrag der Unionsfraktion sieht dagegen nur ein Gesetz auf Vorrat vor, das erst im Falle einer schlimmer werdenden Infektionslage etwa durch eine neue und gefährliche Mutation greifen soll. Die CSU-Abgeordnete Andrea Lindholz sagte, es sei dann möglich, alle Ungeimpften auch binnen weniger Tage zur Impfung zu verpflichten, um das Gesundheitssystem vor Überlastung zu schützen. Zudem fordert die Union ein Impfregister, um bessere Daten über den Impfstand zu haben. CDU und CSU hatten wiederholt kritisiert, dass sich die Ampel nicht auf einen Gesetzentwurf verständigt und wollen laut Lindholz nur für den eigenen Fraktionsantrag stimmen.
In der Ampel gibt es auseinandergehende Auffassungen zur Impfpflicht. Aus den Reihen der FDP kommt ein Antrag, der sich gegen jedwede Ausweitung der Impfpflicht wendet. Eine andere Gruppe mit Unterstützern aus FDP, Grünen und SPD plädiert für eine verpflichtende Impfberatung und - wenn das nichts bringt - eine Impfpflicht ab 50 Jahren. Demgegenüber hat auch die AfD einen Fraktionsantrag gegen die Impfpflicht vorgelegt. Wann die inzwischen fünf Vorschläge im Plenum des Parlaments diskutiert werden, ist noch offen. Für die nächste Woche steht das Thema nicht auf der Tagesordnung.
Die Impfpflicht für Gesundheitswesen und Pflege, die in den vergangenen Tagen für hitzige Diskussionen sorgte, kann indes wie vom Gesetzgeber beschlossen zum 15. März kommen. Das Bundesverfassungsgericht lehnte am Freitag einen Eilantrag dagegen ab. Es bestünden keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken, die eine Aussetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht rechtfertigen, teilte das Gericht mit (AZ: 1 BvR 2649/21) und verwies auf den Schutz vulnerabler Gruppen, der bei einer Aussetzung nicht gegeben wäre.
Allerdings gebe es wegen formaler Mängel Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit, die aber nur im Hauptsacheverfahren geklärt werden können, hieß es weiter vom Bundesverfassungsgericht. So sei im Gesetz nicht klar geregelt, welche Anforderungen an den Impf- oder Genesenennachweis gestellt würden. Ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums sagte dazu, man werde sich das „genau angucken und im Detail prüfen“. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) begrüßte das Urteil im Grundsatz. Es setze die richtige Priorität, twitterte er.
In der Praxis stellen sich vor der Einführung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht noch Fragen. „Im Moment sind die Gesundheitsämter noch nicht dafür gewappnet, die einrichtungsbezogene Impfpflicht umzusetzen“, sagte die stellvertretende Vorsitzende des Bundesverbandes der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (BVÖGD), Elke Bruns-Philipps, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Das liege auch daran, dass es auch noch keine Vorgaben gebe, wie genau die Umsetzung passieren soll. „Wir brauchen von der Bundesregierung beziehungsweise den Ländern weitere Erläuterungen“, sagte Bruns-Philipps, die Abteilungsleiterin im niedersächsischen Landesgesundheitsamt ist.