Berlin (epd). Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat eine Aussetzung der einrichtungsbezogenen Corona-Impfpflicht abgelehnt und den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) für seine Ankündigung, die Regeln nicht durchzusetzen, erneut kritisiert. Dies sei ein „sehr gefährliches Signal“, sagte Lauterbach am Dienstag in Berlin. Es entspreche „einer Nichtumsetzung“ des Gesetzes. Von der Bevölkerung werde erwartet, dass sie bei den Corona-Maßnahmen mitgehe und sie befolge. Jetzt entstehe der Eindruck, dass das für Ministerpräsidenten nicht gelte, sagte Lauterbach. Er kündigte an, mit Söder reden zu wollen. Heftige Kritik an Söder kommt auch von anderen Länderchefs. Die bayerische Landesregierung bleibt aber bei ihrem Kurs.
Die ab Mitte März für das Personal unter anderem in Krankenhäusern, Pflegeheimen und Behinderteneinrichtungen geltende Impfpflicht steht seit Wochen in der Kritik. Die Pflegebranche befürchtet eine Verschärfung des Personalmangels durch Abwanderung. Es mehren sich Stimmen, auch in der Union, die Impfpflicht auszusetzen oder später einzuführen. Söder hatte am Montag angekündigt, die Regeln in seinem Bundesland vorerst nicht durchzusetzen.
Lauterbach erklärte, der Bund habe keine Instrumente, die Impfpflicht in Einrichtungen durchzusetzen. Der Vollzug sei Aufgabe der Bundesländer. Er erinnerte daran, dass die Gesundheitsministerkonferenz sowie die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten sich zu der Impfpflicht bekannt hätten. „Das Gesetz gilt“, sagte Lauterbach. Der Bund werde mit den Ländern daran arbeiten, die Umsetzung zu erleichtern.
Der Präsident des Bundessozialgerichts, Rainer Schlegel, erklärte unterdessen in Kassel, dass er das Vorgehen Söders für unzulässig hält. Wenn ein Gesetz im Bundesgesetzblatt verkündet worden sei, „kann man nicht einfach sagen, ich setze das aus“, betonte Schlegel. Für eventuelle Korrekturen könne der Gesetzgeber nur ein neues Gesetz beschließen oder zumindest mit einer eigenen Regelung erst einmal das Inkrafttreten terminlich hinauszögern.
Der Sozialverband VdK Deutschland warnte, der Schutz von Heimbewohnern gerate völlig aus dem Blickfeld. VdK-Präsidentin Verena Bentele sagte der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Dienstag): „Es gibt ein Gesetz, das zum Schutz dieser Menschen verabschiedet wurde. Wird es wegen fehlender Kontrollen nun nicht umgesetzt, bringt das Menschenleben in Gefahr.“ Demgegenüber sagte DRK-Präsidentin Hasselfeldt dem Inforadio des rbb, der Schutz von Risikogruppen sei zwar richtig. Sie habe aber Zweifel, ob die Impfpflicht das richtige Mittel sei. Zudem seien zahlreiche praktische Fragen völlig ungeklärt.
Der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke), die Berliner Landeschefin Franziska Giffey und Niedersachsens Regierungschef Stephan Weil (beide SPD) gingen auf Distanz zu Söder. Ramelow sagte dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ (Dienstag): „Man darf als Ministerpräsident nicht den Eindruck erwecken, dass man nicht mehr bundestreu ist.“ Giffey sagte dem Nachrichtenportal t-online: „Berlin hält sich an die Vereinbarung zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht, die alle Länder und der Bund getroffen haben.“
Weil erklärte in Hannover: „Bayern ist inzwischen ein komplett unberechenbarer Faktor in der Corona-Diskussion. Dass nunmehr sogar die Umsetzung eines Bundesgesetzes auf nicht absehbare Zeit verweigert wird, hat allerdings eine neue Qualität.“ Der Chef der bayerischen Staatskanzlei, Florian Herrmann (CSU), bekräftigte am Dienstag aber die Haltung seiner Landesregierung. Der Bund habe die Bedenken der Basis und der Praxis nicht hinreichend zur Kenntnis genommen, sagte er nach der Kabinettssitzung in München. In der bisherigen Form würde die einrichtungsbezogene Impfpflicht „direkt ins Chaos führen“.
Der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Jürgen Dusel, sprach sich derweil für einen weiten Ermessensspielraum der Gesundheitsämter aus. Er sei für die ab dem 15. März geltende Impfpflicht, weil es um den Schutz vulnerabler Gruppen gehe, sagte er in Berlin. Zugleich müsse dafür gesorgt werden, dass Versorgungsstrukturen aufrechterhalten werden.