München, Augsburg (epd). Der Rabbiner und NS-Zeitzeuge Henry Brandt ist tot. Er sei am Montag im Alter von 94 Jahren verstorben, teilte die Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern am Dienstag mit. Ihre Präsidentin Charlotte Knobloch sagte: „Mit ihm verlieren Deutschland und die jüdisch-deutsche Gemeinschaft eines ihrer wichtigsten Gesichter und eine ihrer eindringlichsten Stimmen.“ Wie kaum ein Zweiter habe Brandt dazu beigetragen, nach der völligen Zerstörung durch die Nationalsozialisten das jüdische Leben in seinem Geburtsland Deutschland wieder aufzubauen.
Brandt sei einer der letzten Zeitzeugen der NS-Zeit in München gewesen, „sein Tod ist daher ein besonderer Verlust“, sagte Knobloch weiter. Er habe zu den wenigen gezählt, die noch die alte Münchner Hauptsynagoge und den Horror des Jahres 1938 mit der Reichspogromnacht mit eigenen Augen erlebt hätten.
Henry Brandt wurde 1927 in München geboren, 1939 wanderte er mit seiner Familie nach Israel aus. Brandt diente im israelischen Unabhängigkeitskrieg und absolvierte später eine Rabbinerausbildung in England. In den 1980er Jahren kehrte er nach Deutschland zurück und betreute mehrere jüdische Gemeinden.
Brandt war von 1995 bis 2005 Landesrabbiner von Westfalen-Lippe war und anschließend Gemeinderabbiner der Israelitischen Kultusgemeinde Schwaben-Augsburg. Das Amt hatte er bis 2019 inne. Von 1985 bis 2016 war Brandt jüdischer Vorsitzender des Deutschen Koordinierungsrates der Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit, von 2004 bis 2019 war er Vorsitzender der „Allgemeinen Rabbinerkonferenz“.