Berlin (epd). Anderthalb Wochen vor den nächsten Bund-Länder-Beratungen nimmt die Debatte über eine mögliche Lockerung der Corona-Maßnahmen an Fahrt auf. Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) warnten am Wochenende vor Eile. „Natürlich brauchen wir eine Öffnungsperspektive, aber die Lockerungen müssen zum richtigen Zeitpunkt kommen“, sagte Habeck.
Auch der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), die rheinland-pfälzische Regierungschefin Malu Dreyer (SPD) und Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) äußerten sich zurückhaltend. Etwas forscher gaben sich der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP).
Söder forderte in der „Bild am Sonntag“ einen Stufenplan für Lockerungen. „Wenn wir uns sicher sein können, dass das Gesundheitssystem nicht überlastet wird, dürfen Freiheitsrechte nicht mehr wie in anderen Phasen der Pandemie zurückstehen“, sagte der CSU-Chef. Dann sollten aus seiner Sicht bei Kultur, Sport und Handel weitere Öffnungsschritte angegangen werden.
Der Grünen-Politiker Habeck gab dagegen in den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Online/Print: Montag) zu bedenken: „Noch ist die Omikron-Welle nicht gebrochen.“ Auch die rheinland-pfälzische Regierungschefin Dreyer will den für Mitte Februar erwarteten „Peak der Omikron-Welle“ abwarten, zugleich aber bei der nächsten Bund-Länder-Runde am 16. Februar bereits über Lockerungen der Maßnahmen reden.
Spätestens dann müsse es um „kluge Ideen für Erleichterungen“ gehen, sagte Dreyer der in Düsseldorf erscheinenden „Rheinischen Post“ (Samstag). Doch erst nach dem Höhepunkt der Omikron-Infektionswelle „können wir besser einschätzen, ob die Krankenhäuser das auf ihren Normal- und Intensivstationen schaffen und wie sehr uns Personalausfall durch Infektion und Quarantäne in der kritischen Infrastruktur und in den Betrieben zusetzen wird“.
Gesundheitsminister Lauterbach sagte der „Bild am Sonntag“, mit gezielten Maßnahmen und Boostern sei es gelungen, Alte und Vorerkrankte zu schützen. „Wenn wir aber jetzt zu früh lockern, stellen wir unseren eigenen Erfolg unnötig infrage und riskieren neue, gefährliche Infektionen und eine Verlängerung der Welle“, warnte er.
Der baden-württembergische Regierungschef Kretschmann sagte am Samstag im Deutschlandfunk, Lockerungen würden selbstverständlich kommen, wenn die Belastung des Gesundheitswesens diese zulasse. Eine Exit-Strategie zum Ausstieg aus allen Maßnahmen könne er sich aber vor Ostern überhaupt nicht vorstellen. Der niedersächsische Ministerpräsident Weil sagte der „Bild am Sonntag“: „Wenn wir hoffentlich in zwei oder drei Wochen den Omikron-Höhepunkt erreicht haben werden und die Inzidenzen wieder nach unten gehen, werden wir auch lockern können.“
Derzeit steigt die Sieben-Tage-Inzidenz weiter, die die Zahl der neuen Infektionen binnen einer Woche pro 100.000 Einwohner beziffert. Am Sonntagmorgen gab das Robert Koch-Institut (RKI) diese mit 1.400,8 an, am Tag zuvor hatte sie bundesweit 1.388 betragen. Den Angaben der Gesundheitsämter zufolge infizierten sich binnen 24 Stunden 133.173 Menschen in Deutschland neu mit dem Coronavirus. 41 weitere Menschen starben laut RKI im Zusammenhang mit dem Virus. Damit erhöhte sich die Zahl der Corona-Toten in Deutschland seit Pandemiebeginn vor zwei Jahren auf 118.717.
FDP-Chef Lindner gab Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) recht, „dass wir zum jetzigen Zeitpunkt prinzipiell weiter umsichtig sein müssen“. „Über einzelne Vorgaben wie 2G im Handel, einen Stufenplan zur Öffnung und vor allem die Perspektive nach dem 19. März muss aber gesprochen werden“, sagte der Bundesfinanzminister in einem am Sonntag bei „n-tv.de“ veröffentlichten Interview. Denn im März müsse neu über die gesetzlichen Grundlagen für alle Corona-Maßnahmen entschieden werden.