Köln (epd). Der SPD-Bundestagsabgeordnete Lars Castellucci hat eine „Kultur des Hinsehens“ bei der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in der gesamten Gesellschaft gefordert. Von einer solchen Kultur im ganzen Land sei man weit entfernt. Die brauche man, um Missbrauchstaten auch in anderen Bereichen als der Kirche aufzuklären, etwa im familiären Umfeld, im Sport oder in Heimen, sagte der Beauftragte für Religionsgemeinschaften und Kirchen der SPD-Bundestagsfraktion am Freitagmorgen im Deutschlandfunk. „Daran müssen wir engagiert arbeiten.“
Castellucci nahm Bezug auf einen Presseauftritt des Münchner Erzbischofs Kardinal Reinhard Marx am Donnerstag, der die moralische Verantwortung für Missbrauchstaten und ihre Vertuschung im Erzbistum München und Freising übernommen hatte. Er hatte gesagt, dass die größte Schuld darin bestehe, Opfer übersehen zu haben.
Diesen Vorwurf müsse er auch der Politik machen, sagte Castellucci. „Wir dürfen nicht nur die katholische Kirche in den Blick nehmen.“ Aufklärung und Aufarbeitung müssten in den Institutionen passieren, in denen die Taten geschehen seien. Nur so könnten diese für die Zukunft lernen. „Aber ich glaube nicht, dass man sie damit allein lassen darf“, sagte der Politiker.
Er wolle die parlamentarische Begleitung der Missbrauchsaufarbeitung stärken. Dazu müsse beispielsweise die Unabhängige Aufarbeitungskommission des Bundes entfristet werden, ihr Mandat läuft derzeit bis Ende 2023. Zudem solle die Kommission mit einer Berichtspflicht gegenüber dem Bundestag ausgestattet werden. Auch das Amt des Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung müsse fest installiert werden.