Berlin (epd). Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat sich im Bundestag für die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht ausgesprochen. Er sagte, dies sei der sicherste und schnellste Weg aus der Corona-Pandemie, ließ aber den Zeitplan und Details offen. Die Union forderte Lauterbach erneut auf, einen eigenen Gesetzentwurf vorzulegen.
Lauterbach erklärte, eine Impfpflicht sei medizinisch geboten und moralisch vertretbar. Wenn sich alle Menschen weigerten, sich impfen zu lassen, „würden wir die Pandemie wahrscheinlich nie beenden können“, sagte er. Er erinnerte daran, dass bereits 115.000 Menschen gestorben seien und warnte davor, die Gefährlichkeit des Virus zu unterschätzen. Den weitreichendsten Schutz gegen eine schwere Erkrankung biete eine Boosterimpfung, betonte er. An die Ungeimpften appellierte er, sich zumindest einmal immunisieren zu lassen. „Viele von uns erbringen große Opfer, um Sie zu schützen“, sagte Lauterbach: „Bitte ergreifen Sie die Gelegenheit zumindest zur ersten Impfung.“
Die Union forderte Lauterbach erneut auf, einen Gesetzentwurf für eine Impfpflicht vorzulegen. Die Abstimmung zur Gewissensfrage zu erklären und allein auf Gruppenanträge aus der Mitte des Parlaments zu setzen, solle darüber hinwegtäuschen, dass die Ampel-Koalition bei dem Thema nicht einig sei, erklärte der CDU-Abgeordnete Erwin Rüddel mit Blick auf die FDP, die einer allgemeinen Impfpflicht in Teilen kritisch gegenübersteht. Viele Detailfragen einer Impfpflicht seien nicht beantwortet, kritisierte der gesundheitspolitische Sprecher Tino Sorge (CDU). Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Sepp Müller (CDU) forderte ein Impfregister. Die Ampel-Koalition lasse offen, wie sie eine Impfpflicht ohne ein solches Register einführen wolle.
Der Bundestag will Ende Januar eine Orientierungsdebatte über die Einführung einer Impfpflicht führen. Voraussichtlich im März soll dann über Gruppenanträge ohne den üblichen Fraktionszwang abgestimmt werden. Wann eine Impfpflicht in Kraft treten könnte, ist noch offen. Aus der SPD heißt es, die Menschen müssten ausreichend Zeit bekommen, sich impfen zu lassen, bevor die Immunisierung zur Pflicht werde.
Unterdessen mehren sich Forderungen nach einer raschen Einführung einer Corona-Impfpflicht. Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß, forderte in den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Donnerstag) einen zügigen Prozess und sagte, eine Impfpflicht erst ab Herbst halte er für zu spät. Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe erklärte, eine hohe Impfquote sei der einzige Weg, aus Pandemie zu kommen und schwere Krankheitsverläufe zu reduzieren.
Der DKG-Vorsitzende Gaß mahnte, das Thema dürfe nicht zerredet werden, bis keine breite Einigung mehr möglich sei: „Es muss bei einem so kontroversen Thema einen breiten politischen Konsens geben.“ Die DKG plädiert für eine allgemeine Pflicht zur Corona-Impfung ab 18 Jahren.
Die Vorsitzende des Verbands für Pflegeberufe, Christel Bienstein, sprach sich ebenfalls für eine allgemeine Corona-Impfpflicht aus. Beschäftigte in der Akut- und Langzeitpflege seien ausgebrannt. Eine hohe Impfquote sei ein zentraler Aspekt, um sie endlich zu unterstützen und besser zu schützen, sagte sie der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ (Donnerstag). Eine Impfpflicht für nur eine Berufsgruppe würde diese hingegen „ohne Verursachernachweis als Pandemietreiber stigmatisieren“, kritisierte Bienstein mit Blick auf die Impfpflicht im Gesundheitswesen, die Mitte März in Kraft tritt.
Aktuell sind in Deutschland laut Daten des Robert Koch-Instituts 72,2 Prozent der Gesamtbevölkerung vollständig gegen das Coronavirus geimpft. Mindestens 44,2 Prozent haben zusätzlich eine Auffrischungsimpfung erhalten.