München (epd). Die Einführung des Ethikunterrichts als Alternative zum Religionsunterricht hat die Religiosität der Schülerinnen und Schüler im Erwachsenenalter laut einer Studie des ifo-Instituts „signifikant“ verändert. „Neben allgemeiner Religiosität nahm auch die Wahrscheinlichkeit ab, am Gottesdienst teilzunehmen, zu beten oder Mitglied einer Kirche zu sein“, teilte das Wirtschaftsinstitut am Dienstag in München mit. Erkennbare Folgen seien vor allem in katholischen Regionen erkennbar. Die Studie untersucht den Angaben zufolge Veränderungen nach der Einführung von Ethikunterricht in einzelnen westdeutschen Bundesländern.
Die Einführung des Ethikunterrichtes habe zudem das Rollenverständnis der Schülerinnen und Schüler verändert, sagte ifo-Forscher Benjamin Arold dem Evangelischen Pressedienst (epd). Zudem habe der Ethikunterricht wiederum Einfluss auf den traditionellen konfessionellen Religionsunterricht gehabt. Statt rein religiöser Lehren würden hier auch zunehmend andere Themen wie etwa die „Frage nach dem Sinn des Lebens vermittelt“, so Arold.
Der festgestellte Rückgang an Religiosität habe auch Folgen für Familien und den Arbeitsmarkt gehabt, hieß es weiter. „Nach der Einführung des Ethikunterrichts wurden traditionelle Einstellungen zur Aufgabenverteilung der Geschlechter und zur Notwendigkeit der Ehe zurückgedrängt“, so ifo-Forscher Arold. Lebenszufriedenheit oder ethisches Verhalten wie ehrenamtliches Engagement habe die Unterrichtsreform dagegen nicht beeinflusst.
Die Studie trenne zwischen den Auswirkungen des Ethikunterrichts auf die Religiosität und der allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklung. Grundlage hierfür ist laut Arold, dass die westdeutschen Bundesländer die Reform zu verschiedenen Zeitpunkten eingeführt hatten. Der Unterschied in der Religiosität von Altersgruppen innerhalb eines Bundeslandes werde mit den Unterschieden zwischen den gleichen Altersgruppen in anderen Bundesländern verglichen, bei denen es zum jeweiligen Zeitpunkt keine Unterrichtsreform gab.
Grundlage der Studie waren Umfragedaten von mehr als 58.000 Erwachsenen, die zwischen 1950 und 2004 in Westdeutschland eingeschult wurden. Die westdeutschen Bundesländer ersetzten den verpflichtenden Besuch des Religionsunterrichts zu unterschiedlichen Zeitpunkten durch eine Wahlmöglichkeit zwischen Religions- und Ethikunterricht - von 1972 in Bayern bis zum Jahre 2004 in Nordrhein-Westfalen. Vor der Reform war der verpflichtende Religionsunterricht laut Mitteilung sehr intensiv: Während der gesamten Schulzeit umfasste er rund 1.000 Unterrichtsstunden, etwa viermal so viel wie der Physikunterricht.