Karlsruhe (epd). Der Staat muss Ärzten für die Verteilung von schwerstkranken Patienten und Patientinnen auf eine beschränkte Zahl von Klinik-Intensivbetten gesetzliche Vorgaben machen. Können wegen der Corona-Pandemie nicht alle Erkrankten intensivmedizinisch behandelt werden, dürfen bei der Auswahl der zu behandelnden Patienten behinderte Menschen nicht benachteiligt werden, entschied das Bundesverfassungsgericht in einem am Dienstag in Karlsruhe veröffentlichten schriftlichen Beschluss. (AZ: 1 BvR 1541/20) Im Rahmen der staatlichen Handlungspflicht müsse der Gesetzgeber „unverzüglich“ geeignete Vorkehrungen treffen, wie die Patientenauswahl für eine intensivmedizinische Behandlung, die sogenannte Triage, vorzunehmen ist.
Anlass des Rechtsstreits waren die im April 2020 veröffentlichten „klinisch-ethischen Empfehlungen“ der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi), ein Zusammenschluss mehrerer medizinischer Fachgesellschaften. Die Leitlinien geben Kriterien vor, wie Ärzte Patienten für eine intensivmedizinische Behandlung bei zu wenig Klinikbetten auswählen können.
Die neun behinderten, überwiegend auf Assistenz angewiesene Beschwerdeführer rügten, dass die Divi-Empfehlungen sie wegen ihrer Behinderung diskriminierteb. So müssten Menschen mit etwa neuronalen Muskelerkrankungen oder als „gebrechlich“ geltende Menschen bei der Behandlung hintanstehen. Der Staat sei hier in der Pflicht, bei einer pandemiebedingten Triage Vorgaben für die Patientenauswahl zu machen.