Die derzeitige Auseinandersetzung um eine Corona-Impfpflicht sei zwar spannungsvoll, zu anderen Zeiten hätte es in der Bundesrepublik aber weit tiefere und länger anhaltende Zerwürfnisse gegeben, sagte der evangelische Theologe dem Evangelischen Pressedienst. "Wenn manche jetzt heraufbeschwören, der Konflikt könnte unser Land, unsere Gesellschaft auseinanderreißen, halte ich das für Unsinn." Er rate dazu, "Druck aus der überhitzten Debatte um eine angebliche Spaltung der Gesellschaft zu nehmen".
Meister betonte, dass andere gesellschaftliche Konflikte ganze Generationen geprägt hätten und nur nach harten politischen und teils auch physischen Auseinandersetzungen zu befrieden gewesen seien: "Ich denke an die Nachrüstungsdebatte und die wohl größten Demonstrationen, die Nachkriegsdeutschland bis dahin gesehen hatte. Ich denke auch an den Widerstand gegen die Atommülltransporte bei uns im Wendland, an die teils brutalen Auseinandersetzung auf den Bahngleisen", sagte Meister, der auch Leitender Bischof der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands ist.
Der Bischof hob die Bedeutung der Sozialen Medien als "Verstärker" der Corona-Debatte hervor. Sie machten die Kontroverse um die Impfung und die Pandemie-Maßnahmen weitaus größer als sie eigentlich sei.
Gespräch mit Skeptikern nicht abreißen lassen
"Ich stelle mir vor, dass wir diese Blasen nicht hätten, in denen sich Haltungen verstärken, mitunter radikalisieren und tausendfach geteilt werden." Dann wären lediglich Zeitungen, Rundfunk, Fernsehen und das unmittelbare soziale Umfeld Informationsquellen und Meinungsbilder der Menschen. "Nur auf diesen Ausschnitt unserer Kommunikation beschränkt, sehe ich keine unkittbaren Zerwürfnisse oder eine Radikalisierung, die uns ängstigen muss."
Weder nehme er wahr, dass die Zahl der Menschen, "die sich radikal von der gesellschaftlichen Mehrheit entsolidarisieren" eine besorgniserregende Größe erreiche, noch erlebe er, dass Ungeimpfte von Geimpften im persönlichen Kontakt aktiv ausgegrenzt oder als Menschen diskreditiert würden, sagte Meister. Zugleich appellierte er, dass der Gesprächsfaden zu Bürgerinnen und Bürgern, die gegenüber der Impfung und dem Corona-Management "tief misstrauisch" seien, nicht reißen dürfe. "Denn auch das gehört zu einer vitalen Demokratie: Widersprüche aushalten, andere Meinungen akzeptieren, miteinander sprechen, für Vernunft und Zusammenhalt streiten."