Stockholm (epd). Die satten Gewinne für Waffenbauer im jüngsten Bericht des Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri stoßen bei Friedensaktivisten und Hilfswerken auf Empörung und Entsetzen. Gerade mit Blick auf die Corona-Krise und damit die Not unzähliger Menschen seien solche Zahlen ein Skandal, erklärte die „Aktion Aufschrei - Stoppt den Waffenhandel!“. Dem am Montag veröffentlichten Sipri-Bericht zufolge haben die 100 größten Rüstungskonzerne der Welt auch im ersten Pandemie-Jahr weiter gute Geschäfte gemacht.
Trotz der angespannten Lage der Weltwirtschaft verkauften die Firmen im Jahr 2020 demnach Waffen und militärische Dienstleistungen im Wert von 531 Milliarden US-Dollar (470 Milliarden Euro). Das waren 1,3 Prozent mehr als 2019. Gegenüber 2015 entspricht es sogar einem Plus von 17 Prozent. Auch die großen deutschen Waffenhersteller konnten ihre Umsätze zum Teil verbessern.
„Die neuen Sipri-Zahlen beweisen einmal mehr, dass die Staaten dieser Welt in Krisenzeiten falsche Prioritäten setzen“, erklärte Pirmin Spiegel, Hauptgeschäftsführer des katholischen Hilfswerks Misereor. Für viele Menschen bedeute Corona den Verlust ihrer Lebensgrundlagen, sagte Spiegel der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Montag). „Gleichzeitig boomt die Rüstungsindustrie, und auch deutsche Hersteller machen gute Geschäfte zulasten von Menschen in Konfliktregionen und auf Kosten zahlreicher Gewaltopfer.“
Die Präsidentin des evangelischen Hilfswerks „Brot für die Welt“, Dagmar Pruin, sagte der Zeitung, es sei schwer nachzuvollziehen, dass in weiten Teilen der Welt staatliche Rüstungsausgaben ausgerechnet in einer Zeit gestiegen seien, in der die Weltwirtschaft um 3,1 Prozent geschrumpft sei. Die „Aktion Aufschrei“ erklärte: „Während in vielen Teilen der Welt Impfstoffe fehlen und deshalb abertausende Menschen sterben, finanzieren und unterstützen Regierungen ihre Rüstungsindustrie - was für ein Skandal!“
Die Verkäufe der Rüstungskonzerne wuchsen laut Sipri das sechste Jahr in Folge. Spitzenreiter blieben die USA. Allein 41 US-Waffenschmieden, die für mehr als die Hälfte der Verkäufe verantwortlich sind, sind auf der internationalen Liste vertreten. Sie verkauften im vergangenen Jahr Waffen im Wert von 285 Milliarden US-Dollar (252 Milliarden Euro), knapp zwei Prozent mehr als im Jahr 2019. Der weltweit größte Waffenhersteller Lockheed Martin erzielte 2020 einen Umsatz von 58,2 Milliarden US-Dollar (51 Milliarden Euro). Den zweitgrößten Anteil an den Waffenverkäufen verbuchte China (13 Prozent), gefolgt von Großbritannien (7,1 Prozent).
Die 26 europäischen Unternehmen waren dem Bericht zufolge mit Verkäufen im Wert von 109 Milliarden US-Dollar (96 Milliarden Euro) für etwa ein Fünftel der Umsätze der 100 größten Rüstungskonzerne verantwortlich. Das einzige europäische Unternehmen unter den ersten zehn Plätzen auf der Liste, BAE Systems, konnte seinen Umsatz um 6,6 Prozent auf 24 Milliarden US-Dollar (21 Milliarden Euro) steigern.
Die vier deutschen Rüstungsunternehmen auf der Liste setzten im Jahr 2020 Waffen im Wert von 8,9 Milliarden US-Dollar um (7,8 Milliarden Euro), etwas mehr als 2019. Der laut Sipri größte deutsche Waffenbauer, der in Düsseldorf ansässige Konzern Rheinmetall, verdiente demnach im vergangenen Jahr 26,4 Milliarden US-Dollar (23,4 Milliarden Euro) mit dem Verkauf von Kriegsgerät und konnte seine Umsätze damit um mehr als fünf Prozent im Vergleich zu 2019 steigern. Auch das auf Rüstungselektronik spezialisierte Unternehmen Hensoldt verzeichnete ein Umsatzplus. Einen Rückgang bei den Verkäufen meldeten demnach ThyssenKrupp und Krauss-Maffei Wegmann.