Berlin (epd). Angesicht stark steigender Infektionszahlen hat der geschäftsführende Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) vor der geplanten Krisenkonferenz von Bund und Ländern eine Corona-Notbremse gefordert. „Wir sind in Deutschland in die Lage gekommen, die wir immer vermeiden wollten: Unser Gesundheitssystem ist regional überlastet“, sagte Braun den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Dienstag). Notwendig sei jetzt eine Notbremse, dabei zähle jeder Tag. Ziel müsse es sein, in Regionen mit hohem Infektionsgeschehen die Kontakte schnell um 60 bis 70 Prozent zu reduzieren, erklärte er.
Dazu müssten jetzt sämtliche Großveranstaltungen mit Tausenden Teilnehmern, zum Beispiel Bundesligaspiele, wieder ohne Besucher durchgeführt werden, sagte Braun. In Schulen müsse es wieder eine Maskenpflicht in allen Jahrgangsstufen geben. Dort, wo das Infektionsgeschehen besonders kritisch sei, müsse über Schließungen von Einrichtungen im Freizeitbereich nachgedacht werden. „Das gilt auch für die Gastronomie in den Abendstunden“, sagte er. Nur mit einer Notbremse sei es zu schaffen, die Infektionszahlen bis Weihnachten wieder zu senken.
Braun forderte zudem die Wiedereinsetzung der epidemischen Notlage durch den Bundestag: Die Voraussetzungen dafür seien „definitiv gegeben“. Außerdem benötigten die Länder jetzt die weitergehenden Maßnahmen, die damit verbunden sind.
Der geschäftsführende Kanzleramtschef zeigte sich offen für eine allgemeine Impfpflicht. „Als Arzt tue ich mich damit schwer, sehe aber die Argumente“, sagte er den Zeitungen. Es gebe derzeit noch 15 Millionen ungeimpfte Erwachsene, viele hielten eine Impfpflicht deshalb jetzt für den richtigen Weg, um wiederholte Beschränkungen zu vermeiden. Der Ethikrat solle sich jetzt mit der Frage befassen und eine Empfehlung abgeben, ob und wie eine Impfpflicht mit gesellschaftlicher Akzeptanz umsetzbar ist, forderte Braun.
Bund und Länder wollen am Dienstag ihr weiteres Vorgehen in der Pandemie erneut abstimmen. Nach Informationen aus Regierungskreisen wird es am frühen Nachmittag ein Telefonat der geschäftsführenden Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und des designierten Kanzlers Olaf Scholz (SPD) mit den Regierungschefs und -chefinnen der Länder geben. Zuvor wird ein wichtiges Urteil des Bundesverfassungsgerichts über die Corona-Politik des vergangenen Jahres erwartet. Die Karlsruher Richter werden am Morgen erstmals in der Hauptsache eine Entscheidung über die sogenannte Corona-Bundesnotbremse veröffentlichen, mit der im Frühjahr bundesweit Ausgangssperren, Kontaktbeschränkungen und Schulschließungen zur Eindämmung der Pandemie verhängt wurden.
Die Gesundheitsämter meldeten dem Robert Koch-Institut am Dienstag bundesweit 45.753 bestätigte Neuinfektionen binnen eines Tages. Die Zahl der Neuansteckungen pro 100.000 Einwohner binnen einer Woche lag bei 452,2. Damit ging die Sieben-Tage-Inzidenz erstmals seit mehr als drei Wochen wieder leicht zurück im Vergleich zum Vortag. Die Zahl der im Zusammenhang mit dem Coronavirus gestorbenen Menschen liegt in Deutschland inzwischen bei 101.344.