Berlin, Karlsruhe (epd). Bund und Länder wollen ihr weiteres Vorgehen in der Corona-Pandemie angesichts weiter steigender Infektionszahlen bereits am Dienstag erneut abstimmen. Nach Informationen aus Regierungskreisen wird es am frühen Nachmittag ein Telefonat der geschäftsführenden Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und des designierten Kanzlers Olaf Scholz (SPD) mit den Regierungschefs und -chefinnen der Länder geben. Zuvor wird ein wichtiges Urteil des Bundesverfassungsgerichts über die Corona-Politik des vergangenen Jahres erwartet.
Die Karlsruher Richter werden am Dienstagmorgen erstmals in der Hauptsache eine Entscheidung über die sogenannte Corona-Bundesnotbremse veröffentlichen, mit der im Frühjahr bundesweit Ausgangssperren, Kontaktbeschränkungen und Schulschließungen zur Eindämmung der Pandemie verhangen wurden. Das Bundesverfassungsgericht will dabei klären, ob und inwieweit der Gesetzgeber die Bevölkerung zu Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen verpflichten (AZ: 1 BvR 781/21 und weitere) sowie Schulschließungen veranlassen darf. (AZ: 1 BvR 971/21 und 1 BvR 1069/21).
Die am 23. April 2021 in Kraft getretene und Ende Juni ausgelaufene gesetzliche Bundesnotbremse, das sogenannte „Vierte Bevölkerungsschutzgesetz“, sollte die Ausbreitung des Coronavirus verhindern. Viele Bürgerinnen und Bürger sahen darin einen unzulässigen Eingriff in ihre Grundrechte. Bis Ende Juli hatten sich 8.572 Menschen in 281 Verfassungsbeschwerden sowie weiteren Eilanträgen an das Bundesverfassungsgericht gewandt.
Auch die FDP, die voraussichtlich Koalitionspartner in der künftigen Bundesregierung ist, hatte gegen die „Notbremse“ Verfassungsbeschwerde eingelegt. Am 31. Mai 2021 wiesen die Verfassungsrichter in einem Eilbeschluss zahlreiche Anträge auf Stopp der Bundesnotbremse ab (AZ: 1 BvR 794/21), betonte aber auch, dass nur im Hauptsacheverfahren geklärt werden könne, ob das Gesetz verfassungswidrig ist. Dass die Ausgangsbeschränkungen gegen die Corona-Pandemie „offensichtlich nicht geeignet, nicht erforderlich oder unangemessen“ wären, liege nicht klar auf der Hand, hieß es damals. Zu Schulschließungen hat sich das Gericht noch nicht im Eilverfahren geäußert.
Wegen der stark steigenden Infektionszahlen sowie der Zahl der Covid-19-Patienten in Krankenhäusern gibt es inzwischen eine erneute Debatte über harte Einschränkungen des öffentlichen und privaten Lebens. Die wahrscheinliche künftige Regierungskoalition aus SPD, Grünen und FDP hat mit ihrer Mehrheit im Bundestag zwischenzeitlich die rechtliche Grundlage für Schutzmaßnahmen geändert. Viele Maßnahmen wie das Wahren von Abständen, Tragen von Masken und Zugangsbeschränkungen für Einrichtungen sind weiter möglich. Eine flächendeckende Schließung von Geschäften, Restaurants, Hotels oder Schulen sollte es nach dem Willen der Ampel aber nicht mehr geben.
Bei der vergangenen Ministerpräsidentenkonferenz wurde verabredet, dieses Gesetz erst am 9. Dezember zu evaluieren. Wegen der angespannten Lage in Krankenhäusern waren in den vergangenen Tagen Forderungen nach einer früheren Bund-Länder-Beratung laut geworden.